Zur Person

Hanni Rützler ist Ernährungswissenschafterin und Gesundheitspsychologin. In ihren zahlreichen Publikationen setzt sie sich mit gesunder Ernährung und Genuss, Lebensmittelqualität und der Zukunft der Ernährung auseinander.

Foto: pressefotos.at/Niko Formanek
Foto: pressefotos.at/Niko Formanek
Der Kampf gegen das chronische Übergewicht findet nicht nur auf gesundheitspolitischer Ebene statt. Das tägliche "Zuviel" ist vorallem am heimischen Esstisch, im Supermarkt oder in den Restaurantmeilen zu finden. Die Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler spricht in ihrem neuen Buch über die Schwierigkeiten mit der Ernährung, die nicht vom Mangel, sondern vom Überfluß geprägt wird.

Die Lehre der guten Wahl

Der Schlüssel zur guten Ernährung, so die Ernährungsexpertin, ist in der Kindheit zu finden. Was schmeckt, wird dadurch definiert, was Kinder häufig vorgesetzt bekommen. Auch das "Wieviel" ist Erziehungssache: "Wer Aufessen muss bis der Teller leer ist, verliert nicht nur das Gefühl für den Genuss. Dadurch wird zusätzlich das natürliche Sättigungsgefühl wegerzogen."

Die Don´ts

Ob etwas gesund ist oder nicht, ist Kindern schlichtweg egal. Es muss schmecken. Deshalb ist der rationale Zugang nichts für unsere Kleinsten: "Gesundheitsargumente schaffen Druck und schlechte Erfahrungen, das bringt das Essen in ein ungutes Umfeld. Erlauben sie lieber Extrawünsche oder Wiederholungen. Kinder greifen aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus immer wieder zum Gleichen."

Nah-Sinn und Fern-Sinn

"Wird Geschmack zum Erlebnis, dann essen Kinder gut und gerne", so die Buchautorin. Über Ernährung reden bringt hingegen wenig. Essen hat mit den sinnlichen Erfahrungen von Riechen, Schmecken und Tasten zu tun. "Bevor ein Kind lernt mit dem Messer umzugehen, kann es bereits eine Karotte mit Händen, Fingern und Zunge von klein auf schmecken und begreifen lernen."

Vom richtigen Zeitpunkt

Von Natur aus steuern Hunger und Sättigungsgefühl unsere Nahrungsaufnahme. In der vom Überfluss geprägten Gesellschaft, stimmt das laut Rützler so nicht mehr: Ständige Gelegenheiten und Angebote lösen traditionelle Esszeiten ab. Gegessen wird sobald ein Hungergefühl ensteht. Der Überblick über das "wieviel" geht verloren. Das "Neinsagen" muss deshalb vom "Allesfressenden Primaten" neu gelernt werden. Um den Versuchungen zu widerstehen ist die Strukturierung zu regelmäßigen Mahlzeiten eine große Hilfe.

Gemeinsam einkaufen, kochen und essen

Kochen ist eine der wenigen Tätigkeiten, die noch vor den Augen der Kinder zu Hause stattfindet. Das Know-How wird automatisch übernommen. Das betrifft sowohl das Handwerkliche, wie zum Beispiel das Schneiden von Gemüse, genauso wie das Qualitative, wie der Griff zu Bioprodukten. Wird zu Hause auf Frische und Qualität geachtet, so wird das auch von den Kindern übernommen. Mit dem Griff zu Fertigprodukten wird das Kochen aber leider verlernt.

Genuss und Individualität

Sich Zeit nehmen und genießen, das klingt so einfach und ist doch so schwierig umzusetzen. Hanni Rützler hat folgende Tipps parat, um einen Weg aus dem Essenstrott zu finden: "Gehen Sie auf den Wochenmarkt, statt in den Supermarkt, kaufen Sie Qualität statt Quantität und greifen Sie zu saisonaler Ware. Auch das Ausprobieren neuer Gerichte und frischer Kräuter bringt Genuss und neues Leben in die Alltagsküche." (Andrea Niemann)