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"Bereit zum Krieg": Ein Graffito der Ulster Volunteer Force im Norden Belfasts lässt keine Zweifel an den Absichten der protestantischen Untergrundgruppe aufkommen.

Foto: AP/PETER MORRISON
Der politische Flügel der Untergrundorganisation Irisch-Republikanische Armee (IRA) bereitet sich auf eine Entscheidung von wahrhaft historischem Ausmaß vor: Am kommenden Sonntag versammelt sich die in der Republik Irland wie auch im britischen Nordirland repräsentierte Sinn-Féin-Partei in Dublin zu einem Sonderparteitag. Einziger Punkt auf der Tagesordnung ist die Anerkennung der nordirischen Polizei und Justiz.

Mit anderen Worten: Die Rebellen schicken sich an, das britische Gewaltmonopol in Nordirland zu respektieren. Die straff geführte Partei hielt bereits lokale Diskussions-Veranstaltungen ab, und es deutet alles darauf hin, dass der Antrag der Parteiführung gebilligt wird. Dieser epochale Schritt, der den Nordirlandkonflikt formell beendet, bildet eine Voraussetzung dafür, dass am 7. März nordirische Wahlen abgehalten werden können und am 26. März eine einheimische Koalitionsregierung die Verantwortung übernimmt.

Regierungschef wäre dann der greise Pfarrer Ian Paisley, der sein Ja-Wort allerdings noch nicht vorbehaltlos gegeben hat. Die Schlüsselstellung der Polizei im Nordirlandkonflikt wurde zu Beginn dieser Woche noch einmal nachdrücklich unterstrichen. Die Ombudsfrau für den Polizeibereich, Nuala O’Loan, veröffentlichte einen Untersuchungsbericht, in dem sie die polizeiliche Terrorabwehr, die so genannte Special Branch, einer vernichtenden Kritik unterzog. In den Jahren 1991 bis 2003 hätten deren Beamte eine Zelle der illegalen Ulster Volunteer Force (UVF) in Belfast beschützt, obwohl diese Gruppe für mindestens 15 Morde und zahlreiche andere Delikte verantwortlich war. Denn der Rädelsführer der UVF war ein Polizeispitzel, der für seine Dienste Steuergelder in der Höhe von mindestens 120.000 Euro kassiert hatte.

Akten vernichtet

Die Special Branch vernichtete systematisch Akten und Beweisstücke, sodass keine Strafverfolgung mehr möglich ist. O’Loan kam zum Schluss, dass die UVF durch die amtliche Komplizenschaft gestärkt worden sei, während die Motivation der Bevölkerung, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, kompromittiert wurde. Ehemalige Mitglieder der Sondereinheit der Polizei wiesen die Anschuldigungen zurück. Sie erklärten in einer Stellungnahme, sie hätten alle Gesetze befolgt und müssten sich für nichts schämen.

Immerhin hält Ombudsfrau Nuala O’Loan fest, dass der amtierende Polizeichef, Hugh Orde, vorbildlich mit ihr kooperiert habe und dass die Terrorabwehrabteilungen in der Zwischenzeit einer Generalüberholung unterworfen worden sei.

Komplizenschaft

Es ist nicht das erste Mal, dass die systematische Komplizenschaft der damals überwiegend protestantischen Polizei mit protestantischen Killer-Kommandos amtlich bestätigt wird. 2003 waren ähnliche Bindungen an die Ulster Defence Association enthüllt worden. Aber: Der Veröffentlichungszeitpunkt des jüngsten Berichts ist pikant.

Die Sinn-Féin-Führung spricht seit Jahren von staatlich gesteuertem Terror – jetzt hat sie ein offizielles "Gütesiegel" für diese Behauptung. Vor dem entscheidenden Parteitag betonen führende Sinn-Féin-Politiker, es sei an der Zeit, im Innern der Polizei dafür zu sorgen, dass derartige rechtsfreie Zonen nie wieder wuchern können. (Martin Alioth aus Dublin, DER STANDARD, Print, 25.1.2007)