„Die kriegen den Hals nicht voll“, schimpft Herr Z., „zuerst wirtschaften sie das Handy- und Telekomgeschäft herunter, tausende Mitarbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze und dann gönnen sie sich eine Gehaltserhöhung um 30 Prozent.“ Wie Herr Z. denken viele und sie äußern es auch, als die Schlangen bei den wenigen geöffneten Eingängen wegen rigoroser Sicherheitskontrollen immer länger werden. Hier wird ein Schnupfenspray eingezogen, dort darf ein Apfel nicht mit hinein – die Siemens-Führung hat offenbar Angst vor Kleinanlegern und lässt mitgebrachte Gegenstände gnadenlos einziehen.
Die Sorge war unbegründet, denn die Aktionäre waren wohl aufgebracht, aber keineswegs gewalttätig. Als Aufsichtsratspräsident Heinrich von Pierer die Hauptversammlung (HV) eröffnet, waren längst nicht alle rund 13.000 der insgesamt 32.214 angemeldeten Shareholder im Saal. Viel versäumten sie allerdings nicht, denn von Pierer und sein Nachfolger als Vorstandschef, Klaus Kleinfeld, hatten beschlossen, die Aktionäre niederzureden. Der Präsident verlas neun, für Siemens-Verhältnisse unüblich klein bedruckte Seiten, Kleinfeld sogar 19.
Beide versichern wortreich und gespickt mit Allgemeinplätzen, dass sie vom Korruptionsskandal – bisher wurden 400 Millionen Euro in schwarze Kassen gefunden, mit denen Auftraggeber geschmiert wurden oder werden sollten – nichts gewusst hätten und nun dafür sorgen würden, diesen – während ihrer eigenen Vorstandsmandate angestauten Korruptionssumpf – trocken zu legen. Kleinfeld hatte es dabei etwas leichter, er konnte bereits am Morgen eine positive Quartalsbilanz vorlegen, die nur durch die 423 Millionen Euro Kartellstrafe getrübt war, die Brüssel elf Anbietern gasisolierter Hochspannungsschaltanlagen tags zuvor aufgebrummt hatte. Der Siemens-Aktie, die deutlich zulegte, half auch die Ankündigung, man werde die Automotive-sparte (VDO) an die Börse bringen. Das war natürlich Munition gegen die aufgebrachten Fondsmanager und Aktionärsvertreter, sie dürfen überraschend auf eine Extra-Dividende im nächsten Geschäftsjahr hoffen.
Mit Pierer, Kleinfeld und Co sind sie dennoch hart ins Gericht gegangen. „Das Unternehmen schlittert von einer Affäre in die nächste“, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Schmiergeldskandal sei „ein Armutszeugnis“ für die Kontrollsysteme, die Führung habe zu spät auf die Vorfälle reagiert und die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß zu lange im Dunkeln gelassen. Wie andere Aktionäre lehnte der DSW eine Entlastung aller Führungsorgane ab.
Entlastung vertagt