Wien - Der freie Hochschulzugang gilt in Österreich seit Jahrzehnten als heilige Kuh. "Entgegen aller Rationalität" wird nach Ansicht des Chefs der Österreichischen Rektorenkonferenz (ÖRK), Christoph Badelt, das Thema "politisch unter den Teppich gekehrt". Um eine sachliche Debatte in Gang zu setzen, hat die ÖRK eine umfassende Studie über die verschiedenen Teilaspekte in Auftrag gegeben, die nun als Buch vorliegt und am Montag im Rahmen einer Tagung in Wien präsentiert wird. Badelt fordert eine Neuregelung des Hochschulzugangs noch in diesem Jahr.

Überwiegend freier Zugang

Mit Ausnahme einiger weniger Studienrichtungen, u.a. künstlerische Studien, wo es seit jeher Aufnahmeprüfungen gibt, oder Medizin, wo es seit dem Vorjahr einen Aufnahmetest gibt, ist der Hochschulzugang in Österreich frei: die einzige Zugangsvoraussetzung ist die Matura bzw. die Berufsreifeprüfung. Durch den seit den 1970er-Jahren stetig wachsenden Zustrom zur höheren Bildung hat dies allerdings zu Kapazitätsproblemen in sogenannten Massenfächern geführt. Doch die Politik hat am Prinzip des freien Hochschulzugangs stets festgehalten. "Offiziell war das Thema stets tabuisiert, was allerdings im Widerspruch zur privaten Meinung der meisten Politiker stand", sagte Badelt im Gespräch mit der APA.

Debatte aus Überzeugung

Die Rektoren hoffen, mit ihrer Studie diese Tabuisierung zu durchbrechen und eine ernsthafte Diskussion zu ermöglichen. Zahlreiche Experten analysieren in dem Buch die bildungs- und gesellschaftspolitischen, finanziellen, sozialen, internationalen und psychologischen Aspekte des Hochschul-Zugangs. Badelt macht aber klar, dass die Rektoren die Debatte "nicht aus intellektuellen Gründen wollen, sondern weil wir überzeugt sind, dass das gegenwärtige System dringend verbesserungswürdig ist." Da man die politischen Widerstände kenne, "versuchen wir es mit Sachlichkeit."

Übergangs-Gesetz

Die Lösung des Problems ist für Badelt aus einer Reihe von Gründen "dringlich". Der Rektoren-Chef erwähnt dabei nicht nur das neue EU-Verfahren gegen die Medizin-Quote, sondern auch die sogenannte Übergangs-Gesetzgebung. Mit dieser hat Österreich als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Juli 2005 den Hochschulen die Möglichkeit eingeräumt, in acht Fächern (Medizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Biologie, Psychologie, Pharmazie sowie Betriebswirtschaftslehre und Publizistik) Studienplatzbeschränkungen einzuführen.

Regelung evaluieren

Noch im Jänner müsse die erste Evaluierung dieser Regelung abgeschlossen werden, so dass man das Thema voraussichtlich im März im Parlament debattieren werde. Überdies laufe dieses Übergangs-Gesetz Ende 2007 aus, "und es wäre unverständlich, wenn man aus diesem Anlass nicht eine allgemeine Neuregelung des Hochschul-Zugangs beschließen würde", so Badelt. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie sei bewusst nach der Nationalratswahl, aber zeitgerecht vor Auslaufen dieser Regelung gewählt worden. "Wenn man das Thema ernst nimmt, können wir jetzt sofort mit der Diskussion beginnen."

Zulassungssysteme international anpassen

Auch die fortschreitende Umsetzung des Bologna-Systems (dreigliedrige Studien mit den Abschlüssen Bachelor, Master und PhD) machen nach Ansicht Badelts eine Lösung des Problems Hochschul-Zugang notwendig: "Hier stellt sich zunehmend die Frage der internationalen Vergleichbarkeit von Zulassungssystemen." So würde etwa ein ungeregelter Zugang zu Master-Programmen zu Kapazitätsengpässen und in der Folge zum "Verlust des internationalen Standings der österreichischen Universitäten" führen. (APA)