Straßburg – Das vom Oberlandesgericht Wien 2000 verhängte Ausstellungsverbot für ein Bild von Otto Mühl, das Persönlichkeiten wie Mutter Teresa, Bischof Kurt Krenn, den damaligen Burgtheaterdirektor Claus Peymann und österreichische Politiker beim Gruppensex zeigt, ist unzulässig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am Donnerstag entschieden, dass das zeitlich nicht begrenzte Ausstellungsverbot "nicht angemessen" und in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig sei.
Unbefristetes Ausstellungverbot
Die Republik Österreich muss wegen Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit der "Vereinigung Bildender Künstler" 12.000 Euro als Entschädigung zahlen und die früheren Prozesskosten von knapp 16.000 Euro übernehmen.
Ursache des Streits war eine Unterlassungsklage des früheren FPÖ-Generalsekretärs Walter Meischberger, der sich auf dem 1998 in der "Secession" ausgestellten Bild "Apokalypse" wiedererkannte und in seiner Privatsphäre verletzt fühlte. In erster Instanz war Meischberger mit seiner Klage nicht durchgedrungen, da das Bild nach Ansicht des Erstgerichts keine reale Situation wiedergebe und kein Besucher nach Betrachtung des Bildes der Meinung sein würde, dass Meischberger tatsächlich Gruppensex mit Mutter Teresa gehabt habe. Das Wiener Oberlandesgericht als Berufungsinstanz gab Meischberger dagegen Recht und verhängte ein unbefristetes Ausstellungverbot. Daraufhin wandte sich die Künstlervereinigung an das Menschenrechtsgericht.
"Größere Toleranz gegenüber Kritik"
Die Straßburger Richter merken in ihrem Urteil an, dass das Bild kaum als Angriff auf Meischbergers Privatleben verstanden werden könnte und dieser als öffentliche Figur "eine größere Toleranz gegenüber Kritik" haben müsse. Zudem seien auf dem Bild insgesamt 33 öffentlich bestens bekannte Personen dargestellt. "Herr Meischberger, der zum Zeitpunkt der Ereignisse nur ein normales Mitglied des Parlaments war, war sicher einer der weniger bekannten Menschen, die auf dem Bild dargestellt sind, an den sich nach seinem Rückzug aus der Politik heutzutage in der Öffentlichkeit kaum mehr jemand erinnert", entschied das Gericht. Bereits während der Ausstellung in der Secession hatte der selbst ernannte "Pornojäger" Martin Humer das Bild durch einen Farbbeutel-Wurf beschädigt.
--> Reaktionen
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst: Während sich Barbara Holub, Präsidentin der Secession, über das Urteil, das "auf europäischer Ebene dem nationalen Kleingeist entgegenwirkt", freut, wird der damalige Kläger und früherer FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger "alle Möglichkeiten nutzen, um das Zeigen dieses Bildes zu verhindern".
Pro ...
Begrüßt wird das Urteil von Holub, die zu Bedenken gibt, dass "die Öffentlichkeit zu oft davon ausgeht, dass die Freiheit der Kunst etwas Selbstverständliches ist". Gerade das Verbot aus dem Jahr 2000 habe aber das Gegenteil gezeigt, so Holub. Das neue Urteil habe bewiesen, wie aktuell das Motto der Secession – "Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit" – sei.
Die von der Republik Österreich als Entschädigung zu zahlenden 12.000 Euro werde man in die aktuelle Produktion einfließen lassen. Das stehe im Sinne der Secession, "die sich den Herausforderungen stellt, an die Grenzen zu gehen. Wir wollen nicht in affirmativer Art und Weise Kunst produzieren, sondern sehr wohl Divergenzen und Konflikte aufgreifen, die ansonsten in der Gesellschaft unter den Tisch gekehrt werden", so Holub. Ob man Otto Muehls "Apokalypse" wieder zeigen wird, sei derzeit noch nicht klar. Holub sehe im Moment "keinen Sinn für eine Propaganda-Aktion", sie wolle nicht auf einer "populistischen Ebene reagieren".
... und Contra
Als ein "unverständliches Urteil" sieht Meischberger die Entscheidung des EGMR. "In diesem Fall muss die Freiheit der Kunst, die auf jeden Fall ein wichtiges Gut ist, dort enden, wo sie die Ehre und Würde oder die Freiheit anderer Menschen verletzt", so Meischberger. Muehl habe mit seinem Bild "die Grenzen übertreten". Sein Gefühl sei unverändert und deswegen werde er alle weiteren Möglichkeiten nützen, eine Ausstellung des Bildes weiterhin zu verhindern. (APA)