Berlin - Im Streit über die EU-Verfassung will Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel ab 21. Mai in persönlichen Gesprächen mit Regierungschefs der Europäischen Union nach Lösungen suchen. Dieser Zeitplan geht aus einem Schreiben Merkels an ihre EU-Kollegen hervor, das Reuters am Freitag vorlag.

Danach sollen zwischen 23. April und 4. Mai die Beauftragten der Regierungschefs für die Verfassung in Berlin mit Merkels EU-Experten sprechen. Zwischen dem 7. und 11. Mai ist ein gemeinsamen Treffen aller Beauftragten in Berlin geplant. Für Deutschland ist Merkels Europa-Experte Uwe Corsepius zuständig. Die Bundesregierung koordiniert als EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr die Bemühungen zur Wiederbelebung der Verfassung.

Die Gespräche Merkels zwischen dem 21. Mai und dem 1. Juni beginnen nur einen Monat vor dem EU-Gipfel zum Abschluss der deutschen Präsidentschaft am 21./22. Juni, bei dem Merkel einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen bei der Verfassung vorlegen soll. Die Spitzengespräche mit den Regierungschefs gelten erst nach der französischen Präsidentenwahl als Erfolg versprechend. Die Amtszeit des gegenwärtigen Präsidenten Jacques Chirac endet am 17. Mai, so dass Merkel mit seinem frisch gewählten Nachfolger über die Verfassung sprechen wird. Frankreich ist wegen seiner Größe ein Schlüsselland in der EU, vor allem nachdem der bisherige Entwurf dort in einer Volksabstimmung scheiterte.

Bereits in diesen Tagen führen die Experten aus den 27 EU-Staaten Gespräche zur Vorbereitung der "Berliner Erklärung", die am 25. März Perspektiven für die Zukunft Europas aufzeigen soll. An diesem Tag jährt sich die Unterzeichnung der Gründungsverträge zur EU zum 50. Mal. Die Erklärung soll ein Baustein zu mehr Gemeinsamkeit in der Verfassungsfrage sein, indem sie die Ziele eines handlungsfähigen und international engagierten Europas beschreibt. Für Mitte Februar ist ein Treffen aller Verfassungsbeauftragten in Berlin zur "Berliner Erklärung" geplant, über die dann am 8. März die Staats- und Regierungschefs beim EU-Frühjahrsgipfel beraten sollen.

Die EU-Verfassung soll die Gemeinschaft nach der Aufnahme weiterer Staaten handlungsfähig machen und für mehr Transparenz in den Entscheidungsprozessen sorgen. Sie wurde bislang von 18 der 27 Staaten ratifiziert. Neben Frankreich gelten vor allem die Niederlande, wo der Text ebenfalls in einem Referendum scheiterte, sowie Polen und Großbritannien als Staaten, die eine Wiederbelebung des Ratifikationsprozesses kritisch sehen. Merkel hat einen Impuls für den Prozess als wichtiges Ziel der deutschen Präsidentschaft bezeichnet. Nach ihren Vorstellungen soll der Prozess mit dem deutschen Vorschlag wieder in Gang kommen und bis zur Europawahl 2009 abgeschlossen werden.

18 von 27 EU-Staaten, darunter auch Österreich, haben die Verfassung bereits ratifiziert. Der Verfassungsprozess war durch das Nein der Franzosen und Niederländer zum Vertrag ins Stocken geraten. In Österreich ratifizierte das Parlament den Vertrag bereits am 11. Mai 2005 mit überwältigender Mehrheit; nur die FP-Abgeordnete Barbara Rosenkranz stimmte mit Nein. Der Bundesrat entschied am 25. Mai 2005 ebenfalls positiv; lediglich drei der 62 Mitglieder, Vertreter von FPÖ und dem BZÖ, votierten mit Nein. (APA/Reuters)