Doris Knecht, "So geht das! Wie man fidel verspießert". € 15,90/216 Seiten. Czernin Verlag, Wien 2006.

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Buchcover: Czernin Verlag
Früher ging man eben in die Kirche. Und der Vorteil der Städte war, dass man sich dort das, was einem neben dem von der Substanz her überall gleichen klerikalen Pflichtprogramm vorgesetzt wurde, ein bisserl aussuchen konnte: je mehr Kirchen, desto mehr Prediger - und umso eher fand sich einer, der einem die Leviten aus der gleichen (mitunter ja sogar derselben) Perspektive las, aus der man selbst die Welt sah.

Als die Menschen aufhörten, regelmäßig in die Kirche zu gehen, suchten sie sich andere Verkünder persönlicher, stets affirmativer Wahrheiten. Und so fand und findet jeder seinen - oder seine - Lieblingsleitartikler, Leib-Kommentatoren oder Wahlkolumnisten. Mit ganzheitlichem Anspruch: Wahrheit, Anklage, Verteidigung und Urteil lagen und liegen bei ihm - und was dem einen Staberl, Cato und Unterberger sind, sind anderen Thurnher und Rauscher. Oder Knecht.

Gleichsetzung qua Vergleich

Obwohl man das gerade dem Publikum der zweiten Gruppe so besser nicht sagt, will man nicht in die ausgestreckte Watsche hineinlaufen. Erstens wegen der Gleichsetzung qua Vergleich. Zweitens wegen der schreiberischen Qualität. Und drittens, weil es ja immer nur die anderen sind, die sich sagen lassen müssen/wollen, was und wie sie denken sollen.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist es eigentlich unmöglich, Doris Knechts Kolumnen-Sammlung So geht das! Wie man fidel verspießert über das ganz normale Leben/Erwachsenwerden/Verzweifeln mit zwei wundervollen/schrecklichen Kindern in einer schrecklichen/normalen Welt zu rezensieren. Weil Knecht längst die Hohepriesterin der berufsjugendlichen Stadtintelligenzija ist. Die Kolumne gewordene Vordenkerin des real existierenden Bobo-Ismus. Das beginnt bei Herkunft (Vorarlberg) und Sozialisation (Flex) und geht dann nahtlos vom beruflichen Lebenslauf (Falter, profil, Tages-Anzeiger, dazu lange Provokations- bzw. Gastkommentatorin in der Presse, bis sie als Kolumnistin beim Kurier landete) ins Privatleben (Städtependlerin und Mutter) über - und setzt sich im angewandten Networking (auflegen im "Badeschiff", Verhaberung mit all denen, die definieren, wer im jungurbanen Wien als wichtig & cool gelten darf).

Sammlung von Mutter-in-der-echten-Welt-Kolumnen

Deshalb ist es nahezu unmöglich, Knechts Sammlung von Mutter-in-der-echten-Welt-Kolumnen unvoreingenommen besprechen zu lassen: Etwa ein Drittel der infrage kommenden Autoren oder Autorinnen kommen in dem Buch vor. Ein weiteres Drittel bewegt sich hauptberuflich und/oder zu nah in Knechts Lokal-, Arbeits- und Bekanntenwelt oder arbeitet/lebt mit einem der in dem Buch vorkommenden Menschen zusammen - oder will es sich aus gutem Grund (dazugehören! ich auch! bitte!) mit keinem dieser Leute verscherzen. Und der Rest sitzt vor diesen - von der zuvor erwähnten Klientel in ihrem Einflussgebiet mit "Kult" etikettierten Texten, erkennt darin zwar sprachlichen Witz und Biss, steht aber dem Soziotop, dem Kulturbegriff und den nie ernsthaft hinterfragten, sondern stets nur um-die-Ecke-selbstbestätigend ironisierten Lebenswelten so fern, dass er "Bahnhof" versteht. Wenn überhaupt. Denn Knechts kokettes Hadern mit Widersprüchen zwischen Anspruch und Realität an Alltag, Selbst- und Rollenbild ist jenseits des "Knechtiversums" eher schwer zu vermitteln.

Macht nix - weil Knecht-nicht-cool-Finder ihre Prediger ohnehin anderswo haben. Alle anderen aber glauben gerne das, was die Innehaber der Definitions- und Deutungshoheit von "urban cool" sagen: So geht das! ist Kult. Weil hier nicht mehr und nicht weniger als die Wahrheit gepredigt wird. (Von Thomas Rottenberg/ALBUM, DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.1.2007)

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