90 Jahre lang war die markante Fassade das Markenzeichen der Firma Elsner. Prinz: "Einige nannten uns Trödler Abraham. Das hatte natürlich nichts mit unserem Sortiment zu tun."

Foto: Eisner
Das Jahr 1898 - Kaiser Franz Joseph feiert sein 50-Jahr-Jubiläum, Bürgermeister Karl Lueger regiert in Wien. Viele Gebäude, wie wir sie heute in der und um die Wiener Mariahilferstraße kennen, gibt es bereits seit Jahrzehnten. Im September gründet Samuel Eisner hier sein Geschäft für Küchengeräte mit dem "Zählblatt für die Ertheilung von Gewerbescheinen und Concessionen".

Über einige Stufen gelangt man in die zwei Verkaufsräume im Keller. Das Sortiment kann sich für die damalige Zeit sehen lassen. Die Lieferanten kommen aus Österreich und der Tschechoslowakei, Hauptabnehmer sind Gewerbebetriebe aus der Gastronomie. Familie Eisner verdient gutes Geld, das Geschäft zieht nach oben, sodass 18 Jahre nach der Gründung auch die markante Fassade entsteht: Auf Holzbrettern befestigt weithin sichtbare Teller, Küchenbehelf und Sonstiges werden zu einem verspielten Allerlei, zum Wahrzeichen des "Eisner". Es folgen die Kriegsjahre, Flucht vor den Nazis. 90 Jahre später wird das Holz verrottet, werden die Teller immer wieder leichte Beute für Langfinger gewesen sein.

Zeitsprung. Aufgestapelte Essteller, Designer-Teekannen, Tassen in den schrillsten Farben neben traditionellen Töpfen aus Edelstahl und Gusseisen, Besteck in allen Variationen bis hin zur klassischen Küchen-Rührmaschine, Ausstechformen und Kochlöffeln. Jeder Zentimeter glänzt, kein Zentimeter ohne Glanzstück. Tischkultur in seiner lebendigsten Form. Hier von einem normalen Geschäft zu sprechen, wäre verfehlt. Auf 450 m² und vier Etagen entfaltet sich in dicht aneinander gereihten Regalen und Schaukästen ein Potpourri aus Gebrauchsgegenständen, die dennoch nicht alltäglich sind.

Trotz der Moderne scheint die Zeit ein wenig stehen geblieben zu sein: Die Kundin wird hier mit "Gnädigste" angesprochen, Höflichkeit und persönliche Beratung sind nicht inszeniert, sondern gelebte Überzeugung.

Eisner heißt jetzt Prinz

Als Helene und Peter Prinz den "Eisner" im Jahre 1975 übernehmen, steht ihnen jede Menge Aufbauarbeit bevor. Die alten Kunden sind weg, neue gibt es noch nicht. Nach den ersten zwei Jahren, in denen nicht selten über einen Ausgleich nachgedacht wird, geht es rauschend bergauf. Das Geschäft in der Stumpergasse wird zum Universalanbieter für gehobene Tischkultur im Premium-Segment. Mit exklusiven Porzellanmarken - von Augarten, Hutschenreuther, Rosenthal bis Villeroy & Boch - und Silber-Besteck wird das Haus bald zur führenden Adresse in der Vorstadt. Wie bekannt sein Geschäft einst auch im Ausland war, untermalt Peter Prinz mit einer Anekdote: "Uns haben Briefe aus dem Ausland erreicht. Anstelle der Adresse zeichnete der Absender die Haus-Fassade auf den Umschlag. Und vermerkt: 'An das Geschirrgeschäft in Wien'. Die Post kam an."

Im Jahr 1994 muss die Fassade entfernt werden. "Das Holz war verfault, es regnete ins Geschäft hinein", so Prinz. Einige der schönsten Elemente sind heute auf geschützten Plaketten zusammengetragen und an der Hausfront befestigt. Die neue Verkleidung mit ihren stahlverzierten Torbögen wird mit dem Preis des Portalgestaltungswettbewerbs der Wiener Wirtschaftskammer ausgezeichnet. Es sind die Jahre der Blüte. 15.000 Stammkunden, 25 Millionen Schilling Umsatz pro Jahr. 1998 wird das 100-jährige Bestehen der Firma mit einem rauschenden Ball und 700 Gästen im Palais Auersperg gefeiert. "Ich war in meinem ganzen Leben nie so aufgeregt," erinnert sich Peter Prinz.

Anfang 2000 wird über eine "Hofübergabe" nachgedacht. Doch die Söhne, beide in der Computerbranche tätig, sind nicht interessiert.

Die Wende kommt, so Prinz rückblickend, mit der Pensionsreform 2003. Die Menschen fangen spürbar an, für die Altersvorsorge zu sparen. "Unsere Produkte braucht man nicht zum Überleben. Auf uns kann man am ehesten verzichten." Gleichzeitig geht der alltägliche Hausrat andere Wege; Möbel- und Einrichtungshäuser, Supermärkte bis hin zu Kaffeeröstern nehmen Geschirr in ihr Sortiment auf. Prinz: "Wenn jemand einen Teller zum Essen braucht, geht er nicht zum 'Eisner', wenn er den auch um zwei Euro in einem Markt kaufen kann. Wenn er zu uns kommt, will er etwas Besonderes. Er kauft Gefühl. Ein Silberbesteck kaufe ich für mein Ego."

Darüber hinaus schleicht sich auch der rapide Preisverfall in die Bilanzen ein. Besteck verliert in den vergangenen zehn Jahren die Hälfte seines Preisniveaus, ohne dass die Ware dadurch wesentlich an Qualität leidet. Bei gleich bleibender Kundenzahl ein Problem. "Stellen Sie sich drei Wochen vor das Geschäft und Sie kennen jeden Menschen." Maschinell erzeugtes Glas ist heutzutage kaum mehr von Mund geblasenem zu unterscheiden.

Der Umsatz mit Hochzeitslisten bricht im Vergleich zur Hoch-Zeit um 30 Prozent ein. Für Prinz wenig verwunderlich: "Die Brautpaare werden immer älter. Wenn man sich erst mit 30 Jahren das Ja-Wort gibt, ist so gut wie immer schon - mindestens - ein Haushalt da."



32 Jahre sind vergangen, seitdem das Ehepaar Prinz, den "Eisner" übernommen hat. Ihrer Linie sind beide treu geblieben. Ins Billig-Segment abzusteigen stand nie in Diskussion. Personal habe man mit den Jahren einsparen müssen und die ganze Zeit über 60 bis 70 Stunden pro Woche gearbeitet. Kranksein ist nahezu ein Fremdwort.

Ob er sich auf seine Pension freue, beantwortet Prinz mit "Ja, sehr. Jetzt schon." Seine Augen lachen in einer Mischung von Erleichterung und Lebensfreude. Seit drei Jahren nimmt der heute 63-Jährige schrittweise Abschied vom "Eisner". Die vergangene Weihnachtsfeier war auch im Bewusstsein die letzte. "Es steckt sehr viel Herzblut im Geschäft, die Entscheidung war nicht leicht."

Die Mitarbeiterinnen gehören ein Stück zur Familie. Eine von ihnen arbeitet seit dreißig Jahren im Geschäft. Sie bleiben bis zum letzten Tag. Das Angebot, vorzeitig zu gehen, schlugen alle unisono aus. "Es sieht so aus, als kämen sie alle bei neuen Stellen unter," zeigt sich Prinz fürsorglich zuversichtlich. "Doch jetzt bleiben sie. Sie machen mit uns gemeinsam Schluss." Mehr ist einem guten Arbeitsklima nicht mehr hinzuzufügen.

Der Abverkauf beginnt demnächst. Ab 28. April gibt es den "Eisner" nicht mehr. Vielleicht auch schon früher. Prinz: "Ich weiß nicht, wie schnell es geht, dass wir leer sind. Ich habe so etwas noch nie gemacht." (Sigrid Schamall)