London/Wien - Die US-Regierung denkt einem Bericht der britischen Zeitung "The Guardian" zufolge daran, den Klimawandel mit weit reichenden Maßnahmen zu bekämpfen. Gewaltige Spiegel im Weltraum oder Staub in der Atmosphäre sollen das Sonnenlicht reflektieren und so der globalen Erwärmung entgegenwirken. An eine drastische Senkung der Treibhausgas-Emissionen ist dagegen offenbar nicht gedacht.

Im öffentlichen Bewusstsein angekommen

"In den USA ist der Klimawandel im öffentlichen Bewusstsein angekommen", kommentiert "Spiegel Online" den Bericht. In der US-Bevölkerung wachse die Angst vor katastrophalen Folgen der Erwärmung. Politiker würden den Umweltschutz als Wahlkampfthema entdecken, und selbst Energiekonzerne drängten die US-Regierung inzwischen zum Handeln. Im Weißen Haus verhallten diese Rufe nicht mehr ungehört, so "The Guardian" am Wochenende in seiner Internetausgabe.

Neuer Bericht

Am kommenden Freitag wird das UN-Expertengremium Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) erstmals seit sechs Jahren wieder einen neuen Bericht zum Stand des Klimawandels veröffentlichen. Dem "Guardian" zufolge bemüht sich Washington, einige drastische Maßnahmen in die Empfehlungen des IPCC-Papiers aufzunehmen - darunter die Installation gigantischer Spiegel im All oder das Ausbringen großer Mengen von Staub in die Atmosphäre, um das Sonnenlicht zu reflektieren.

Nachfolge-Vertrag zum Kyoto-Protokoll

Der Zeitung zufolge hat die US-Regierung auch zu verhindern versucht, dass der IPCC-Bericht die Forderung nach einem neuen internationalen Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen enthält. Dies wäre ein Nachfolge-Vertrag zum Kyoto-Protokoll, das die USA bis heute nicht unterzeichnet haben und das ab 2012 ausläuft.

Einflussnahme auf die Sonneneinstrahlung

Vergangenes Jahr hat die Regierung eine Vorabversion des IPCC-Berichts erhalten, deren wissenschaftliche Details der endgültigen Version weitgehend entsprechen dürften. Dem "Guardian" liegt nach eigenen Angaben nun die Antwort der US-Regierung an die Vereinten Nationen vor. Sie enthalte die Forderung, dass der Teil des IPCC-Berichts mit Empfehlungen an die Politik die Möglichkeit einer direkten Einflussnahme auf die Sonneneinstrahlung beinhalten solle.

"Die Veränderung der Sonneneinstrahlung könnte eine wichtige Strategie sein, falls die Senkung der Treibhausgas-Emissionen scheitert", lautet der US-Vorschlag dem Bericht zufolge im Wortlaut. "Es ist eine wichtige Rückversicherung, die notwendige Forschung und Entwicklung zu leisten, um die Folgen der Anwendung einer solchen Strategie abzuschätzen."

Drastische Maßnahmen zum Klimaschutz

Die Möglichkeit drastischer Maßnahmen zum Klimaschutz wird inzwischen immer ernsthafter von Wissenschaftlern diskutiert. So existieren Berechnungen, denen zufolge der Klimaeffekt aller seit der industriellen Revolution ausgestoßenen Treibhausgase kompensiert werden könnte, indem man ein Prozent des Sonnenlichts ins All reflektiert. Dazu kursieren laut "Spiegel Online" mehrere Szenarien:

Der US-Astronom Roger Angel hat vorgeschlagen, einen 100.000 Kilometer langen Schweif aus 16 Billionen kleinen Spiegeln zwischen Sonne und Erde zu platzieren. Die Kunststoffscheiben von jeweils 60 Zentimetern Durchmesser sollen rund zwei Prozent weniger Sonnenenergie auf der Erde ankommen lassen.

Schwefel gegen Sonnenlicht

Der niederländische Chemie-Nobelpreisträger und "Ozonloch"-Entdecker Paul Crutzen hat den Plan entwickelt, die Stratosphäre mit riesigen Mengen an Schwefel zu vernebeln, um einen Teil des Sonnenlichts abzublocken. Der kühlende Effekt wurde bereits nach großen Vulkanausbrüchen beobachtet. Kritiker warnen allerdings vor unabsehbaren Folgen und bemängeln, dass man über viele Generationen Schwefel in die Atmosphäre blasen müsste, wollte man keine plötzliche massive Erwärmung riskieren.

Am National Center for Atmospheric Research im US-Bundesstaat Colorado haben Forscher um den Atmosphärenphysiker John Latham die Idee entwickelt, große Mengen Meerwasser zu zerstäuben. Damit wollen sie niedrige Wolken mehr Licht ins All reflektieren lassen.

Weitere Ideen

Forscher des Alfred-Wegener-Instituts für Meeresforschung in Bremerhaven düngten in den Jahren 2000 und 2004 im Antarktischen Meer 200 Quadratkilometer Meeresfläche mit Eisensulfat, um das Algenwachstum an der Oberfläche anzuregen. Ihr Plan: Wenn Phytoplankton wächst, bindet es Kohlendioxid, das später mit in die Tiefe gerissen und so aus der Atmosphäre entfernt wird.

Mit schwimmenden Kunststoffscheiben auf den Weltmeeren und weißen Plastikplanen in den Wüsten ließe sich nach Berechnung anderer Wissenschaftler ebenfalls ein Teil des Sonnenlichts zurück ins Weltall werfen - und so der globalen Erwärmung entgegenwirken. (APA)