Helmut Gruber zur Wettersprache

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Von „Lothar“ bis „Kyrill“, von „Wiebke“ bis „Katrina – keine Wetterfront kommt mehr ohne Namen, kein Sturm, Starkregen oder Hurrikan ohne medialen Hype und kollektiven Countdown aus: „Die Inszenierung und Verpersönlichung des Wetters liegen eindeutig im Trend. Das ist ganz ähnlich wie in der Politik“, erläutert der Wiener Sprachwissenschafter Helmut Gruber. In der Politik wie beim Wetter werde auf diese Art offenbar versucht, „von strukturellen Zusammenhängen abzulenken und sie auf die scheinbar Handelnden zu reduzieren“. Doch die Frage, wer oder was hier handelt oder wirkt, ist bei Regen, Sonnenschein oder Wind besonders schwer zu beantworten: „Wetter ist und bleibt etwas extrem Unpersönliches“, sagt der Mitarbeiter des sprachwissenschaftlichen Instituts an der Uni Wien.

Nicht von ungefähr drücke sich auch die deutsche Sprache diesbezüglich vor konkreteren Angaben. „Wer, bitte, ist ‚es‘, wenn ‚es stürmt oder schneit‘? Und nicht nur das Deutsche, auch das Englische oder Russische halte sich hier bedeckt. Also bleibe Wetter-Kommentatoren und Journalisten mit Hang zum Boulevard nur die Flucht nach vorn. So werde das Sturmtief aus dem Westen zum „Orkan Kyrill“, aus dem meteorologischen Ereignis ein Akteur, der Entsetzliches anrichte. „Das Orkan-Drama“ und „die Strafe der ‚Herrn‘“, schrieb vor eineinhalb Wochen ein heimisches Blatt.

Krieg gegen das Wetter

So werde zum Krieg gegen das immer feindlichere Wetter geblasen, mit einer neuen Metaphorik, meint Gruber: „Früher wurden politische Ereignisse mit Wetterbegriffen beschrieben – etwa der ‚Sturm über Europa‘ im Zweiten Weltkrieg oder – aktueller – die verschiedenen ‚Flüchtlingswellen‘. Jetzt, wo der Klimawandel ein wichtiges Thema ist, werden die politisch besetzten Begriffe wieder auf das Wetter übertragen.“

Eine solche martialische Wortwahl erleichtere aber nie auch die Antwort auf die in Zeiten des Klimawandels besonders knifflige Frage der Schuld. Neben ausgemachten „Klimasündern“ wie den USA werde da gerne „der Einzelne, also ich und du“ in die Pflicht genommen. Während abstraktere Größen wie Industrie oder Ökonomie vielfach ausgeblendet blieben. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 30.01.2007)