Wien - Schnell lässt sich ein kirchlicher und zumal katholischer Rahmen evozieren: Glockengeläut ertönt, der Chor erhebt sich und singt eine gregorianische Choralzeile. War der Beginn des heurigen Alte-Musik-Festivals "Resonanzen" im Wiener Konzerthaus der Nachstellung einer Krönungszeremonie gewidmet, so stand als "krönender" Abschluss die Rekonstruktion einer venezianischen Vesper zur Zeit Antonio Vivaldis auf dem Programm.

Ausschließlich mit Musik jenes vor allem durch die Jahreszeiten und andere rein instrumentale Werke berühmten Barockkomponisten, dem man gelegentlich mit dem Vorwurf des allzu Populären begegnete und dessen Opern und Sakralwerke erst langsam wiederentdeckt werden.

Kontrapunktische Deutlichkeit

Berufenere Fürsprecher als William Christies Les Arts Florissants hätten sich kaum finden lassen: Auch unter der straffen Leitung von Paul Agnew gelang es Chor und Orchester, etwa die doppelchörige Psalmvertonung Beatus vir durch seidigen Glanz oder ein groß angelegtes Magnificat durch kontrapunktische Deutlichkeit zu nobilitieren.

Bestechend auch der klare, doch manchmal allzu enge Sopran von Miriam Allan in Nulla in mundo, lehrreich ein Violinkonzert mit Patrick Cohën-Akenine, das zeigte, dass instrumentale Virtuosität zuweilen ihren Platz auch in der Kirche hatte (und daran erinnerte, wie schwer alte Instrumente unter deren klimatischen Bedingungen die Stimmung halten).

Zum absoluten Höhepunkt geriet aber das Stabat mater - dank des phänomenalen Countertenors Christophe Dumaux, der über die seltene Verbindung eines in allen Lagen kraftvoll glühenden Timbres mit gestalterischer Klugheit verfügt. Trotz aller Einsichten und neuen Erkenntnisse: Am Ende wurde Vivaldi wieder von der Geschichte und dem Klischee eingeholt: Denn als Zugabe gab es ein Laudate Dominum mit Sopransolo und Chor von Michel Corrette - auf Basis des "Frühlings" aus den Jahreszeiten. (Daniel Ender, DER STANDARD Printausgabe, 30.01.2007)