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Grafik: Archiv

Wann der Kater nach dem millennialen Dotcom-Crash wieder abklang, lässt sich nicht so einfach sagen. Da begannen Blogs zu blühen – bald in Millionenzahl. Wikipedia war bereits das Standardwerk der Onlinegeneration, ehe eine breitere Öffentlichkeit aufgrund von Skandälchen mit getürkten Einträgen richtig aufmerksam wurde. Kaum war Apples iPod Kult, schossen Podcasts ins Kraut. Während die einen noch lernten, Bilder zu mailen, tummelten sich Digerati längst zuhauf auf MySpace, Flickr oder YouTube. Auch Geld fließt wieder reichlich – zuletzt holte sich die deutsche Kontaktbörse OpenBC – mittlerweile "Xing" – 75 Mio. Euro von der Börse, während Google 1,6 Mrd. Dollar für YouTube zahlte.

Revival

Das Internet erlebt seine zweite Blüte, für die schnell der schillernde Begriff "Web 2.0" bei der Hand war – in der Tradition der Nummerierung von Software. Was ist eigentlich passiert? Zwei Dinge – folgt man den Analysen von Niklas Zennström, Co-Gründer des inzwischen zu Ebay gehörenden Skype (Internettelefonie), und Caterina Fake, Mitgründerin des von Yahoo akquirierten Fotodienstes Flickr: Die Anzahl der User und die Infrastruktur des Netzes wuchsen trotz der Krise der Onlineunternehmen kontinuierlich weiter; Breitband ist heute – vor allem für jüngere und berufliche Nutzer – eine Selbstverständlichkeit. Und beides zusammen bringt neue Möglichkeiten. Die wichtigste: User basteln ihren Content selbst.

Content

Natürlich nicht alles an Content. Aber wie sich dies auch auf Unternehmen auswirkt, zeigt unter anderem der Otto/Universal-Versand, der ganz in der Art von Amazon seinen Kunden nunmehr ermöglicht, Produkte zu kommentieren oder Geschenk-Blogs zu führen. "Das Verhalten unserer Kunden ändert sich im Internet", beobachtet Otto-Vorstandssprecher Rainer Hillebrand. "Interaktivität, Partizipation, User Generated Content sind ein wichtiger Teil von E-Commerce geworden – früher waren wir eine reine Transaktionssite."

Spped

Diese Entwicklungen beschleunigen sich deswegen so enorm, sagt Zennström, weil viele vorhandenen Teile jetzt erst so richtig zu neuen Produkten vermischt werden. Etwa die Integration von Skype in den Webbrowser Firefox: Dadurch verwandelt sich jede Telefonnummer auf einer Seite automatisch in einen Button, ein Klick stellt über Internet die Verbindung her – was ganz neue Anforderungen an die Servicebereitschaft stellt.

Nur zögerlich beginnen Firmen die geänderte Onlinewelt nicht nur als Spielerei für User, sondern als neues Geschäftstool zu betrachten. Was große Konzerne wie IBM oder Microsoft seit geraumer Zeit entdeckt haben – dass die privaten Blogs ihrer Mitarbeiter ein gutes Bindemittel zu Kunden sind, auch (oder gerade) wenn sie selbstkritische Postings enthalten -, hat hierzulande noch Seltenheitswert und kommt meist aus der Branche: wie bredlbloggt.telekom.at von Telekom-Austria-Pressemann Martin Bredl oder tlutz.spaces.live.com von Microsoft-Sprecher Thomas Lutz oder von Knallgrau, den Gründern der Blogging-Community twoday.net.

Wikis

Wikis – die Software, auf der Wikipedia beruht – sind ein exzellentes Medium, um firmeninternes Know-how zu dokumentieren, quasi lebende Handbücher. Podcasts, die inzwischen von einer Reihe von Universitäten anstelle von Vorlesungen eingesetzt werden, eignen sich hervorragend zum Training von Mitarbeitern. Kaum eine "Web 2.0"-Anwendung, die bei kreativer Betrachung nicht für Firmenzwecke einsetzbar ist. Im Zentrum von "Web 2.0" steht der Wandel von Einweg-Kommunikation zur Zusammenarbeit – wie für die unternehmerische Nutzung geschaffen. (Helmut Spudich / DER STANDARD Printausgabe, 30.01.2007)