Die Islamisten greifen nach der Macht, behauptet Ayaan Hirsi Ali. Mit der Islamkritikerin sprach Rainer Wandler in Madrid bei der Vorstellung ihres Buches "Mein Leben, meine Freiheit".
STANDARD: Der Karikaturenstreit, die Proteste gegen die Papstrede, die Debatte über das Kopftuch, die extremistische Gewalt - ist der "Kampf der Kulturen" nicht längst Bestandteil unseres Lebens?
Hirsi Ali: Ja, wir stehen mitten in einem Konflikt der Wertesysteme. Tony Blair spricht von einem "unkonventionellen Krieg", von einem "Krieg um Werte" zwischen den Menschen, die die Freiheit lieben, die freie Individuen wollen, und denen, die die Welt dominieren wollen, in dem sie die Religion dazu nutzen.
Diejenigen, die die Freiheit wollen, müssen in letzter Konsequenz bereit sein, für die Verteidigung dieser Freiheit zu sterben. Dann können wir diesen Krieg gewinnen.
STANDARD: Wenn Sie von Krieg reden, arbeiten sie damit nicht genau den Radikalen zu, die sich selbst im Krieg wähnen?
Hirsi Ali: Der Konflikt existiert, ich rede ihn nicht herbei. Wir reagieren. Unsere Botschaft muss lauten: Ihr könnt unsere Werte teilen, aber wenn ihr sie zerstören wollt, dann werden wir uns verteidigen.
STANDARD: Die erste Generation islamischer Einwanderer kam nach Europa auf der Suche nach einem besseren, aber auch freieren Leben. Es sind die Jungen, die sich von radikalen Ideen angezogen fühlen. Ist die Integration gescheitert?
Hirsi Ali: In vielen Ländern ist die Integration gescheitert. Das liegt daran, dass nie jemand den Immigranten und deren Kindern erklärt hat, dass sie eine Menge Rechte bekommen, aber damit auch eine Menge Pflichten verbunden sind. Doch unser Problem hat nur bedingt mit der Immigration zu tun.
Wir stehen einer breiten totalitären Bewegung gegenüber, die versucht, überall reelle Macht zu bekommen: in den Regierungen, den Gewerkschaften, den Universitäten bis hinunter zu den Familien. Sie wollen die Menschen beeinflussen, damit sie einen Islam leben, der nach einem Staat strebt, der auf den islamischen Idealen basieren soll. Wir müssen dies stoppen.
STANDARD: Wie soll das gehen?
Hirsi Ali: Wir müssen ganz klar verteidigen, wofür wir stehen. Und dann können wir hingehen und sagen: Okay, ein Teil des Problems ist die Immigration. Also erlauben wir nur denen nach Europa zu kommen, die unsere Regeln und Werte verstehen und annehmen.
STANDARD: Und die radikalen Muslime, die bereits hier sind, sollen sie ausgewiesen werden?
Hirsi Ali: Wir können nur einen Teil ausweisen. Viele haben bereits die Staatsangehörigkeit. Das war bisher viel zu leicht. Die Staatsangehörigkeit muss künftig ein gesellschaftlicher Vertrag sein. Wer unseren Werten zustimmt, wer politisch loyal ist, sagt das. Andernfalls gibt es keine Staatsangehörigkeit. Und sobald sie beginnen, unser System auszuhöhlen, werden sie abgeschoben.
STANDARD: Es ist viel von einem europäischen Islam die Rede. Ist der Islam reformierbar?
Hirsi Ali: Ja, wenn die Menschen, die sich als Muslime begreifen, willens sind, den Koran endlich als Buch zu akzeptieren, das von Menschen geschrieben wurde und nicht das Wort Gottes ist. Und wenn sie einsehen, dass der Prophet Mohammed im 21. Jahrhundert nicht für alles ein Vorbild ist - keinesfalls dafür, wie Frauen und Individuen im Allgemeinen behandelt werden.
STANDARD: Sie leben jetzt in den USA und arbeiten in einem republikanischen Thinktank. Damit haben sie ihren Kritiker-Status abgelegt, sie nehmen direkt an diesem Konflikt teil.
Hirsi Ali: Ich bin Teil des Kampfes der Kulturen. Ich stamme aus der archaischen islamischen Zivilisation und habe begriffen, dass die Zivilisation der Freiheit, der Kritik, des Fortschritts besser ist. Sicher hat der Westen in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Aber die freie Gesellschaft mit ihren Institutionen ist wichtiger als alles andere.
STANDARD: Und die USA sind Ihr Vorbild?
Hirsi Ali: Die USA müssen unser Anführer sein. Ich will in keiner Welt leben, die von China, den arabischen Ländern oder Russland angeführt wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.1.2007)