Das Handy ist (fast) immer dabei: New Yorks Polizei hofft auf schlagende Beweise durch Bilder von Bürgern

Foto: Cremer
New York - Die New Yorker Polizei bekommt ein Millionenheer von Hilfssheriffs. Jeder Bürger, der Zeuge eines Verbrechens wird, einen Handtaschenraub beobachtet oder einen Graffitisprayer erwischt, soll per Fotohandy ein Bild der Szene direkt an die Polizeizentrale schicken können.

Bürgermeister Michael Bloomberg, der sein Milliardenvermögen mit Kommunikationstechnologien gemacht hat, will die Notrufnummer 911 so ausstatten, dass sie digitale Bildsignale empfängt.

"Revolutionär"

"Das macht keine andere Stadt der Welt", sagte er bei der Vorstellung des Projekts. "Wir beginnen mit einer revolutionären Innovation." Und seine Sicherheitsexperten sehen bereits ihre Aufklärungsquoten nach oben klettern. "Je mehr Information wir haben, und je schneller wir sie bekommen, umso eher können wir ein Verbrechen bekämpfen, und umso weniger Ressourcen brauchen wir", sagte Polizeichef Raymond Kelly.

Dem Kampf gegen die Kriminalität hatte sich schon Bürgermeister Rudolph Giuliani zwischen 1994 und 2001 verschrieben. Noch bis in die Neunzigerjahre galt die Acht-Millionen-Metropole als Hort des Verbrechens und Heimat der Mafia - ganze Stadtviertel als "No-go-Areas".

Heute ist New York die sicherste Großstadt der USA. Seit Mitte der Neunzigerjahre ist die allgemeine Kriminalität um etwa die Hälfte zurückgegangen. Mit 1187 Delikten pro 100.000 Einwohner in den ersten sechs Monaten 2006 verzeichnet New York die niedrigste Kriminalitätsrate unter den 25 größten US-Städten. Phoenix und Houston haben fast dreimal so viel Verbrechen, Dallas noch mehr.

Null Toleranz

Die Wende hatte Giuliani mit seiner "Null-Toleranz-Politik" eingeläutet. Bei seinem Amtsantritt gab der einstige Chefankläger und Mafiajäger die Parole aus, dass jedes, auch das kleinste Verbrechen geahndet wird, um so der harten Kriminalität vorzubeugen.

Bloomberg, seit 2002 im Amt, setzt auf eine leisere Linie. Er konzentriert Beamte an Brennpunkten, lässt Mehrfachtäter überwachen und hat sich dem Kampf gegen illegalen Waffenbesitz verschrieben. Und: Mit mehr als neun Millionen Dollar sollen an 200 Plätzen 500 Überwachungskameras installiert werden.

Angesichts der massiven sozialen Gegensätze in der Stadt, der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich sei eigentlich eine gegenläufige Entwicklung zu erwarten, sagte der Soziologieprofessor Andrew Karmen der New York Times. Er hält die Zuwanderer für ein ausgleichendes Element: "Viele von ihnen sind von dem Willen getrieben, erfolgreich zu sein."

Nach wie vor hat die New Yorker Polizei den Ruf, gelegentlich zu hart durchzugreifen. Vor allem Afroamerikaner fühlen sich kontrolliert oder gar schikaniert. "Das ist ein Thema, an dem wir weiter arbeiten müssen", räumte Polizeipräsident Kelly ein.

Letztlich, so hofft Bloomberg, könnte seine Idee mit den Fotohandys zur Entspannung beitragen. Wenn die Bevölkerung in den Kampf gegen das Verbrechen eingebunden werde, stärke dies das Vertrauen in die Polizei, sagte er. (Nada Weigelt, DER STANDARD Printausgabe, 31.1.2007)