Kabul - Das von ehemaligen Warlords dominierte
afghanische Parlament hat ein Amnestie-Gesetz verabschiedet, das die
Menschenrechtsverletzungen der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte
straffrei stellen soll. Der Sprecher des Parlamentssekretariats,
Haseeb Noori, sagte am Donnerstag, die Regelung trage zu Frieden und
Versöhnung bei. Demnach dürften weder politische Parteien noch
Gruppen, die seit 1979 in das Kriegsgeschehen in Afghanistan
verwickelt gewesen seien, juristisch verfolgt werden.
Im Text heißt es, die Verfechter des "Heiligen Krieges" müssten
"mit Respekt behandelt und gegen jedwede Beleidigung verteidigt
werden". Zugleich ruft er die gegen Präsident Hamid Karzai
revoltierenden Taliban zur Integration auf. Das Gesetz muss noch vom
Senat gebilligt und anschließend vom Präsidenten unterzeichnet
werden.
Das "Nationale Versöhnungsgesetz" ist in Afghanistan heftig
umstritten. Die Abgeordnete Malalai Djoja sagte, nationale Einheit
werde nicht durch "Vergebung für nationale Verräter" erreicht. Der
Entwurf sei "ungerecht" und "gegen den Willen des Volkes". Die Täter
müssten zur Rechenschaft gezogen werden. "In den Herzen und Köpfen
der Menschen sind sie ohnehin schon verurteilt worden, und sie müssen
auch offiziell verurteilt werden."
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte im
Dezember für die Einrichtung eines speziellen Gerichtshofs plädiert,
der über die Verbrechen während der sowjetischen Besatzung
(1979-1992), während des Bürgerkriegs (1992-1996) und während der
Taliban-Herrschaft (1996-2001) richten soll. Auch mehrere
Parlamentarier und Mitglieder der aktuellen Regierung waren demnach
in Kriegsverbrechen verwickelt. Dazu gehörten die Minister Abdul
Rasul Sajjaf und Mohammed Kasim Fahim, der ehemalige Präsident
Burhanuddin Rabbani, Energieminister Ismail Chan und Vizepräsident
Karim Chalili, erklärte HRW. In den Kriegsjahren waren in Afghanistan
schätzungsweise 80.000 Menschen getötet worden. (APA)