Franco Grillini, der Ehrenvorsitzende von Italiens wichtigster Homosexuellen-Vertretung "Arcigay", im Gespräch mit Abgeordneter Vladimir Luxuria im italienischen Parlament.
Für Franco Grillini ist es ein "Kreuzzug der Hinterwäldler". Auch den Obersten Kreuzritter des "bornierten Heeres" hat der Vorsitzende der italienischen Homosexuellen-Bewegung bereits identifiziert: Kardinal Camillo Ruini.

Dass sich der linksdemokratische Abgeordnete und der Vorsitzende der Bischofskonferenz nicht grün sind, liegt in der Natur der Sache. Beide sind Galionsfiguren eines Religionskrieges, dessen Vehemenz viele ItalienerInnen an das Scheidungsreferendum von 1974 erinnert. Damals erlitten die Christdemokraten ihre erste schwere Niederlage - trotz des massiven Einsatzes der Kirche, die vor der Zerstörung der christlichen Familie" gewarnt hatte.

Mehrheit war dafür

Heute verbirgt sich das Ärgernis des Vatikans in einem Kürzel: Pacs (Patto civile di solidarietà). Dieser Pakt soll unverheirateten Paaren - heterosexuellen ebenso wie homosexuellen - in Zukunft mehr Rechte garantieren. Eine Gleichstellung mit der Ehe wird es nicht geben. Am Mittwochabend hatten in der Abgeordnetenkammer im Rom 301 Mandatare für den Gesetzesentwurf des Mitte-links-Bündnisses "Ulivo" gestimmt, 266 hatten dagegen votiert.

Seit Wochen führt der Vatikan eine vehemente Kampagne gegen das geplante Gesetz, das der Sekretär der Bischofskonferenz Giuseppe Betori für "unnütz und schädlich" hält, weil es "die unauflösliche Ehe zwischen Mann und Frau durch andere Modelle des Zusammenlebens untergräbt". Das ärgert Pacs-Befürworter wie Franco Grillini, der die Gegner als "Heuchler" definiert. In keinem anderen Staat Europas mische sich die Kirche "derart unverfroren" in staatliche Belange ein.

Dass Kardinal Ruini Oppositionsführer Silvio Berlusconi telefonisch ersuchte, AbweichlerInnen unter Kontrolle zu halten, entbehrt nicht ganz der Ironie. Denn der Cavaliere, der die Regierung als "antichristliche Horde" brandmarkt, lebte sechs Jahre in wilder Ehe, bevor er die Scheidung von seiner ersten Frau durchsetzen konnte.

Auch Berlusconis MitkämpferInnen gegen die "Zerschlagung der christlichen Familie" weisen kein lupenreines Curriculum auf. Der christdemokratische Parteichef Pier Ferdinando Casini lebt nach der Trennung von seiner Frau mit einer neuen Partnerin zusammen, von der er ein weiteres Kind hat.

Casini wartet auf die Auflösung seiner Ehe durch die Sacra Rota. "Ein besonders krasser Fall von Pacs", spottet Grillini. Auch der sonst erzkonservative Lega-Boss Umberto Bossi ist geschieden.

Die Rechtszeitung Libero beschrieb in einem hämischen Artikel "Die frohen Familien der No-Pacs-Abgeordneten". Als Höhepunkt der Heuchelei wird allgemein jedoch eine sozialrechtliche Sonderregelung bezeichnet, die ausschließlich für ParlamentarierInnen gilt: Sie dürfen unverheiratete PartnerInnen in ihre Krankenversicherung aufnehmen. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, Print, 3./4.2.2007)