Foto: Robausch

"Als wir gegen Benfica gespielt haben...", hub der Präsident bei der Betrachtung der von Silberzeug überquellenden Trophäenschränke an, zu erzählen. Und es klang als sei's gestern gewesen und nicht vor über 20 Jahren.

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Linfield will Sektierertum nicht mehr tolerieren und hat einige Initiativen in diesem Bereich gestartet.

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Spaziert man durch die protestantisch-loyalistische Enklave Sandy Row im Süden von Belfast, kommt man am Linfield FC (--> Mehr zur Klubgeschichte) nicht vorbei. Im Schaufenster eines Ladens mit einem Sortiment, das textile Accessoirs für Oranier ebenso umfasst, wie paramilitärische Memorabilia, hängt die Vereinsflagge der Blues einträchtig neben dem Union Jack und einem Wimpel der Glasgow Rangers.

Der 1886 von Spinnerei-Arbeitern gegründete Klub ist in der konfessionell gespaltenen nordirischen Gesellschaft also eindeutig verortet. Mit über 200 gewonnenen Titeln, darunter 46 Meisterschaften, ist Linfield aber auch einer der erfolgreichsten Vereine weltweit – und auf der Insel wohl der populärste. Michael Robausch sprach mit Präsident David Crawford über klubpolitische Prioritäten und europäische Perspektiven.

derStandard.at: Was bedeutet Ihnen Linfield?

David Crawford: Ich bin Anhänger seit den frühen 50er Jahren. Nun bin ich sein 40 Jahren im Vorstand, wahrscheinlich ein Rekord. Und vier Jahre bin ich nun Präsident. Das bedeutet mir viel, ich habe dem Klub mein Leben gewidmet.

derStandard.at: Wie würden Sie den Klub charakterisieren?

Crawford: In der Frühzeit, 1889, waren wir quasi identisch mit dem irischen Nationalteam. 1890 startete die Irish League und wir haben sie gleich dreimal hintereinander gewonnen. Und den Cup auch. Jetzt haben wir ein sehr gemischtes Team aus Protestanten und Katholiken. Sieben aus der ersten Mannschaft sind römisch-katholisch. Und das zieht sich durch bis zum Nachwuchs. Wir haben einen sehr guten Entwicklungsplan mit einer Akademie für Kinder ab neun Jahren. Linfield ist führend was Cross-Community-Arbeit betrifft und hat überhaupt die meisten Entwicklungen im nordirischen Fußball maßgeblich vorangetrieben.

derStandard.at: Und nun sind Sie dabei, das Profitum einzuführen?

Crawford: Wir waren immer ein Amateurverein, im Moment haben wir sechs Profis. Wir wollen das Schritt für Schritt versuchen, nicht so wie unten im Süden (gemeint ist die Republik Irland, Anm.). Die haben das einfach so gemacht, ohne es sich leisten zu können und sind jetzt fast pleite. Derzeit gibt es also eine Kombination aus Profis und Amateuren. Aber in zehn Jahren könnte das Vollprofitum erreicht sein. Viel hängt davon ab, wie sich die Liga entwickelt. Es ist geplant, sie von 16 auf zwölf oder zehn Teams zu reduzieren.

derStandard.at: Derzeit hat Linfield ausschließlich Nordiren in der Mannschaft?

Crawford: Alles Nordiren, ja. Wir hatten früher Schotten, Engländer oder Waliser hier. Einen Algerier und einen Burschen aus Marokko oder so haben wir auch einmal verpflichtet. Aber das war kein Erfolg, da gab es große Probleme. Die Kontinuität fehlte. Aber als Klub braucht man ein System in dem Spieler aus der Jugend an die erste Mannschaft herangeführt werden. Im Moment haben wir eine Gruppe von sechs oder sieben Spielern die aus der U16 in die Erste hineingewachsen sind. Dort liegt die Zukunft eines Vereins. Und da sehe ich etwa in England ein Problem, für die Man Uniteds, die Chelseas, Spurs. Wie viele Eigenbauspieler haben die im Team, und wie viele Ausländer? Dasselbe in Schottland. Aus Norwegen, Island und Schweden werden die Spieler nach England transferiert. Weil sie dort gute Jugendarbeit machen. Das ist notwendig und wir machen das hier.

derStandard.at: Wie hoch ist Ihr Budget für die Saison?

Crawford: Das kann ich nicht bekannt geben. Alle anderen Klubs spitzen darauf, das herauszufinden. Was ich aber sagen kann, ist, dass die Ausgaben jetzt das dritte Jahren hintereinander sinken. Das zeigt, wie wir den Verein führen. Wir sind weiterhin erfolgreich, haben aber die Kosten gesenkt. Wir arbeiten sehr professionell. Das gilt auch für die Spieler und unseren Manager David Jeffrey.

derStandard.at: Was gibt es aktuell noch für Prioritäten für den Klub?

Crawford: Es wird sich bald die Frage stellen, wo wir in Zukunft spielen. Im Moment gibt es einige Unsicherheit bezüglich unseres Stadions, in dem ja auch das Nationalteam spielt. Es wird warscheinlich ein neues Nationalstadion außerhalb der Stadt gebaut. Wir müssen jetzt abwarten, was der Verband (Irish Football Association, IFA) vorhat. Und dann entscheiden ob und wie es für uns hier weitergeht. Sollte die IFA ausziehen, hätten wir Anspruch auf Entschädigung, denn es gibt eine Mietvereinbarung die noch für 80 Jahre läuft.

derStandard.at: Wie auch auf Ihrer Homepage ersichtlich, scheint Linfield sehr aktiv zu sein, was die Bekämfung von Rassismus und Sektierertum betrifft?

Crawford: Ja, ja! Das ist Teil eines Zehn-Punkte-Plans der UEFA (-->Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung des Rassismus im Fußball). Alle Klubs müssen das tun. Es geht ja auch um die Lizenz. Und wie ich schon gesagt habe, agieren wir in allen Bereichen sehr professionell. Ein eigener Ausschuss befasst sich mit der Thematik. Man muss diese Dinge unter Kontrolle haben.

derStandard.at: Gibt es Fortschritte?

Crawford: Wir haben große Fortschritte gemacht, besonders was Cross-Community-Projekte betrifft. Wir haben hier mit so etwas kein Problem.

derStandard.at: Wieviele Leute kommen zu den Heimspielen?

Crawford: Wir haben ungefähr einen Schnitt von 3000. Aber gegen Glentoran (der Belfaster Lokalrivale, Anm.) und in einem Cupfinale werden es auch schon einmal Zwölftausend. Es hängt eben immer auch vom Gegner ab. Gegen Portadown hatten wir knapp 4000. Viele von den anderen Klubs bringen keine Leute mit. Portadown immerhin 600, aber nehmen Sie Armagh City oder Dungannon: da sind es nicht einmal 100. Die Vereine ohne Anhang leben von den Zuschauern, die die paar größeren Klubs bringen. Das ist ein Problem. Und mit ein Grund, warum wir die Liga verkleinern wollen. Im Süden ist es übrigens dasselbe. Da gibt es Shelbourne, Bohemians, Drogheda, Cork, Derry City. Aber das sind alles Profiklubs, zahlen hohe Gehälter und investieren nichts in ihre Stadien. Shelbourne ist pleite, die Hälfte ihrer Spieler sind weg, weil sie ihr Geld nicht bekommen haben. So kann Profifußball schiefgehen. Man muss das ordentlich machen. Mehr ausgeben als einnehmen geht nicht, Das geht nirgends.

derStandard.at: Kommen die Linfield-Fans in erster Linie aus Belfast?

Crawford: Nein. Wir haben Fanklubs in ganz Nordirland, auch in Londonderry. Zwei sind in England und zwei in Schottland. Und ich glaube es gibt auch einen in Australien.

derStandard.at: Wie stehen Sie zu Forderungen nach gesamtirischer Kooperation im Fußball?

Crawford: Wir haben den Setanta Cup*, der hat mit drei Klubs aus beiden Ligen begonnen. Jetzt sind’s vier. Ich sage: die sechs stärksten Teams aus Nord und Süd sollen in einem Meisterschaftsformat gegeneinander antreten. Mit einer reduzierten Liga geht sich das aus. Man spielt dann quasi eine gesamtirische Liga, behält aber die eigene Identität – auch in der UEFA. Würde man sich vereinigen, hätte das den Verlust von Europacup-Plätzen zur Folge. Ich würde auch nur gegen die Besten aus dem Süden antreten wollen. Nach Waterford oder Galway zu fahren – das würde außer Kosten nichts bringen.

derStandard.at: Sehen Sie eine Chance, diese Idee zu verwirklichen?

Crawford: Ja. Ein ausgebauter Setanta Cup mit einem ordentliches Preisgeld – das kann funktionieren. Aber die eigene Liga von vornherein aufgeben wäre keine gute Sache. Man hätte seine Eigenständigkeit ebenso verloren, wie Positionen auf europäischer Ebene. So etwas macht man nicht.

derStandard.at: Wie steht es um das Niveau in der nordirischen Premier League?

Crawford: Naja, wir hinken in Europa wohl hinterher. Auch weil das Spieljahr komplett anders läuft. Unser erstes Match in der nächsten Saison wird wahrscheinlich im Juli im Europacup sein. Das kommt viel zu früh. Man kann also überlegen, hier etwas zu verändern. Im Süden haben sie das gemacht und ihre Chancen im internationalen Vergleich verbessert. Ich bin aber nicht sicher, ob das wirklich ein Erfolg ist. Klubs, die nicht europäisch spielen, sehen die Sache nämlich anders. Im Sommer sind viele Leute auf Urlaub und die Zuschauerzahlen sinken, die Spieler sind auch nicht alle verfügbar. Man muss sich das also gut überlegen.

Alles in allem würde ich sagen, dass Nordirland ungefähr mit dem Süden gleichauf liegt. Vielleicht sogar leicht vorn, immerhin haben wir den Setanta Cup im ersten Jahr gewonnen. In Schottland und England ist das Niveau höher, dort ist das natürlich ein Profibetrieb. Und da wollen wir auch hin.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Strukturen auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Position für kleinere Klubs?

Crawford: Über das UEFA-Klubforum haben wir jetzt mehr Einfluss und es gibt auch mehr Geld. Aber leider bekommt man kaum mehr die Chance, gegen die großen Fische anzutreten – und die vielleicht sogar zu eliminiern. Darum geht es doch in einem Cup-Bewerb. Aber so wie früher wird es wohl nicht mehr werden.

derStandard.at: Wo sehen Sie Linfield in fünf, zehn Jahren?

Crawford: Ich hoffe, dass Linfield dann immer noch ein starker Klub ist und in Europa mithalten kann. Ich möchte die Lücke hier gerne schließen. Wir sind nicht so weit weg, letztes Jahr sind wir im UEFA-Cup der zweiten Qualifikationsrunde gestanden und dort unglücklich gegen Halmstad ausgeschieden. Auch Derry City ist in die Nähe der Gruppenphase gekommen. So viel fehlt also nicht. Es ist eben dieser letzte professionelle Touch, auch im Fitnessbereich, der uns abgeht. Da hoffe ich auf Fortschritte. Ich sehe jedenfalls eine gute Zukunft für den Klub, die bisherige Bilanz ist ja auch ganz ordentlich.