Die Teilnahme Großbritanniens am Irak-Feldzug der USA und das Festhalten an dieser Entscheidung trotz wachsenden Widerstandes in der eigenen Bevölkerung hätte Tony Blair 2005 fast die Wiederwahl gekostet. Seinen Beinamen als "Bushs Pudel" wird er wohl kaum wieder los werden. Aber anders als der US-Präsident, der immer wieder amerikanische Kriegsinvaliden und Familienangehörige von Gefallenen trifft, zeigte der britische Premier in diesem Feld wenig Standhaftigkeit (um nicht von Feigheit zu sprechen): Die Familie eines britischen Irak-Gefallenen, die um eine Aussprache bat, ließ er an der Tür von Downing Street Nr. 12 kalt abfertigen.

Da es sich bei den britischen Streitkräften wie bei jenen der USA um eine Berufsarmee handelt, weiß jede/r Angehörige, was ihn/sie schlimmstenfalls erwartet, könnte man einwenden. Aber selbst dann hört sich bei der jüngsten Nachricht zur Irak-Pannenserie jedes Verständnis auf: Wie konnte es passieren, dass die britische Armee Minderjährige an die Front schickte?

Erschreckende Gedankenlosigkeit

Die Erklärung des zuständigen Staatssekretärs grenzt an kalten Zynismus, offenbart aber selbst bei günstigster Interpretation eine erschreckende Gedankenlosigkeit: Unter dem Druck der Ereignisse sei das halt leider passiert, und die meisten der jugendlichen Soldaten - auch vier Mädchen waren darunter! - seien ohnehin kurz vor ihrem 18. Geburtstag gestanden. Können 18-Jährige, auch wenn sie formal volljährig sind, so erfahren und gefestigt sein, um dem physischen und psychischen Druck eines Guerillakrieges standzuhalten?

Es kommt noch schlimmer: Die Stationierung der britischen Minderjährigen begann ausgerechnet in dem Monat, in dem London das Zusatzprotokoll zur UNO-Kinderrechtskonvention ratifizierte: Es verbietet die Entsendung von unter 18-Jährigen in Kampfgebiete. Wenn eine seiner führenden Demokratien die eigenen Grundsätze so bedenkenlos missachtet - wie kann der Westen dann den Vorwurf der Doppelmoral entkräften? (Von Josef Kirchengast, DER STANDARD, Printausgabe 5.2.2007)