Wien – Die ÖVP hatte den Wunsch zuletzt 2004 bei ihrem Bundeskongress im Tiroler Bergdorf Alpbach deponiert: Fünf Jahre regieren! So lautete das Ansinnen der Schwarzen unter VP-Chef Wolfgang Schüssel schon damals. Allein, es fehlte der richtige Partner dazu. Nämlich zur Änderung des Wahlrechtes, die mit Zweidrittelmehrheit im Parlament erfolgen muss. Heute, drei Jahre später, sind die Verhältnisse andere. Denn der Koalitionspartner SPÖ ist – wieder an den Rudern der Macht – einer längeren Verweildauer am Steuer nicht abgeneigt. Das Ergebnis dieser großkoalitionären Einigkeit liest sich im Regierungsübereinkommen wie folgt: „Die Gesetzgebungsperiode wird ab der nächsten Gesetzgebungsperiode auf fünf Jahre verlängert.“

Was erst als vierter Unterpunkt im Kapitel „Wahlrecht“ aufscheint, sorgt nun für einige Resonanz bei Opposition und Wahlrechtsexperten. Der Politikwissenschafter Peter Filzmaier etwa glaubt nicht an das von der Regierung angegebene Ziel, wonach mit einer längeren Legislaturperiode große Reformvorhaben besser durchgebracht werden könnten. SPÖ und ÖVP führen ins Treffen, dass die lange Regierungsbildung und der frühzeitig einsetzende Wahlkampf effizientes Arbeiten oft verunmögliche. „Irgendwo ist immer eine Wahl“, hält Filzmaier dem entgegen.

Kompletter Systemwechsel

Und wie so oft in Zusammenhang mit einer Debatte über die Wahlrechtsreform, setzt der Politikwissenschafter grundsätzlicher an: Er will einen kompletten Systemwechsel vom Verhältnis- zum Mehrheitswahlrecht diskutieren. Für Filzmaier ist das Verhältniswahlrecht ein „Anachronismus“ – ein Überbleibsel aus der konsensorientierten Nachkriegszeit, dessen Abschaffung man sehr wohl überdenken könne. Sein Argument: Die Demokratie sei stabil genug, ein Wahlrecht nach dem Motto „the winner takes it all“ auszuhalten. Zwar würden die Grünen, sowie FPÖ und BZÖ de facto von einer Regierungsbeteiligung ausgeschlossen. Ein zwangsläufiges „Aus“ für Kleinparteien bedeute das Mehrheitswahlrecht jedoch nicht, glaubt Filzmaier.

"Problem Kärnten"

Für eine Wahlrechtsreform sprechen sich auch die_Grünen aus. Allerdings unter anderen Vorzeichen. Ein Mehrheitswahlrecht wird von der Kleinpartei nicht angedacht. Wenn die Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig ihre „Gesprächsbereitschaft“ über die Verlängerung der Legislaturperiode an eine Wahlrechtsreform knüpft, meint sie vielmehr die Beseitigung des „Problems Kärnten“.

Kärnten sei das einzige Bundesland, in dem für den Einzug in den Landtag ein Grundmandat nötig ist und nicht das Erreichen eines bestimmten Prozentsatzes. Zudem wollen die Grünen das Ausländerwahlrecht auf Länderebene verwirklichen. BZÖ-Vizeklubchef Herbert Scheibner hingegen hat keine Vorbehalte gegen eine Verlängerung der Legislaturperiode. Diese sei „vernünftig“.

In der SPÖ war man, je nach Stand der Partei, mitunter geteilter Meinung, was eine Ausdehnung der Regierungszeit betrifft. Während etwa Klubobmann Josef Cap 1998 noch sehr dafür war, meinte er 2002: „Der Gedanke, dass Schwarz-Blau auf weitere fünf bis sechs Jahre regiert, lässt sogar mich erschaudern.“ SP-Chef Alfred Gusenbauer mahnte einst die „Bürgerferne“ der ÖVP – und wollte dieses Ansinnen nur bei gleichzeitigem Ausbau der Minderheitsrechte diskutieren.

Unikum

Europaweit stünde Österreich mit einer Fünf-Jahres-Regierung ziemlich alleine da: In 20 von 27 Mitgliedsländern arbeiten die Parlamente vier Jahre lang. Die politischen Realitäten sprechen ohnehin eine andere Sprache: Im Durchschnitt wurde seit 1945 alle drei Jahre und fünf Monate gewählt. In den Landtagen ist häufiges Wählen schon bislang nicht angesagt: Die meisten haben eine fünfjährige Gesetzgebungsperiode, in Oberösterreich wird überhaupt nur alle sechs Jahre gewählt. (red)

SPÖ und ÖVP wollen künftig ein Jahr länger regieren. Eine Wahlrechtsreform stand schon öfters am Programm der Parteien – und pünktlich mit dem neuen Anlauf zur Umsetzung setzt auch die Debatte über ein Mehrheitswahlrecht wieder ein. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 6.02.2007)