Moskau/Warschau/Prag – Sicherheitsbedenken haben die USA mit ihren aktuellen Plänen, Polen und Tschechien zu Stützpunkten ihres weltweiten Raketenabwehrsystems zu machen, in Moskau ausgelöst. Dort sieht man in dem Vorhaben eine eindeutige Bedrohung: Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte bei seiner Jahrespressekonferenz bereits die Aufrüstung mit modernster Raketentechnologie an, Außenminister Sergej Lawrow warnte in einem Interview im jüngsten Spiegel vor einem neuerlichen Wettrüsten zwischen den beiden Großmächten. Doch auch in Polen und Tschechien regt sich Widerstand gegen das geplante Abwehrsystem: In beiden Ländern sprach sich die Bevölkerung in Umfragen mehrheitlich gegen die Stationierung amerikanischer Raketen in ihren Ländern aus.

Gespräche seit 2002

Die Pläne für einen weltweiten Ausbau des US-Raketen-schutzschildes sind nicht neu: Im Jahr 2002 gab es vonseiten Washingtons_erstmals Überlegungen für den Bau einer Abfanganlage in Nord- oder Zentraleuropa. Als idealer Standort waren bereits damals die neuen Nato-Länder Polen und Tschechien im Gespräch.

Teilnahme an Verhandlungen

Ein offizielles Angebot zu Verhandlungen über die Teilnahme am US-Abwehrsystem unterbreitete das Pentagon jedoch erst vor wenigen Wochen: So solle in der mittelböhmischen Ortschaft Jince, etwa 50 Kilometer südwestlich von Prag, ein Radarschirm errichtet werden, bestätigte Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolánek. Verbunden sein solle das Radar mit einem unterirdischen Raketensilo in Polen. Von dort aus könnten mögliche Angriffe mit Interkontinentalraketen aus dem Iran oder Nordkorea frühzeitig abgewehrt werden.

Sondersitzung

Das tschechische Parlament soll sich auf Antrag der Opposition am morgigen Mittwoch in einer Sondersitzung mit der Anfrage der USA befassen. In wenigen Wochen werde sich die Regierung dann an Washington wenden und „wahrscheinlich” mit Gesprächen beginnen, sagt Ministerpräsident Topolánek. Sollte das Vorhaben gebilligt werden, könne der US-Stützpunkt 2011 in Betrieb gehen.

In Polen zeigt man sich von dem US-Angebot überrascht und drängt im_Gegenzug auf besonderen Schutz: Da die polnische Raketenbasis im Fall eines Konfliktes zwischen USA und Iran oder Nordkorea zu einem der ersten Angriffsziele würde, fordert Warschau die Stationierung von Abwehrraketen des Typs Patriot.

Lückenhafte Abwehr

Machen Polen und Tschechien mit, verfügen die USA erstmals über ein Raketenabwehrsystem außerhalb des Staatsgebietes. Denn trotz ehrgeiziger Bestrebungen können sie bisher einen nur begrenzt funktionsfähigen Abwehrschild vorweisen: Die einzig aktiven Stützpunkte befinden sich in Alaska und Kalifornien – ob die dort stationierten Raketen im Ernstfall funktionieren, gilt in Expertenkreisen als umstritten. (chs, gl/DER STANDARD, Printausgabe, 06.02.2007)