Österreich neu regieren“ sollte die große Koalition; sie hatte keinen guten Start. Zuerst verkündete der designierte Bundeskanzler, der neuen Regierung würden keine Staatssekretäre angehören. Abgesehen davon, dass Staatssekretäre nach der Verfassung ohnehin nicht Mitglieder der Regierung sind, sondern den Minister, dem sie beigegeben sind, unterstützen sollen, hatten wir wenige Tage später gleich sechs Staatssekretäre. Sechs deshalb, weil das mit 14 Regierungsmitgliedern die Zahl 20 ergibt, die durch 2 teilbar ist, wie wir erfuhren. Ohne Nachhilfe zu brauchen wissen wir aber, dass auch 14 durch 2 teilbar wäre. Dabei war es eh schwer, alle sechs zu finden; wie „ZiB 2“-Seher wissen, musste ein unwirscher Landeshauptmann dem designierten Bundeskanzler eine Dame nennen, damit es sechs wurden. Medienberichten zufolge hat man nach längerem Suchen dann auch Aufgaben für diese Staatssekretärin gefunden.

Gleich trat aber das nächste Problem auf: Der schwarze Finanzminister und Vizekanzler stellte fest, dass er einen roten Staatssekretär hat. Der ist nach der Verfassung zwar zu seiner Unterstützung berufen, im Parlament will er sich von diesem Sekretär aber nicht vertreten lassen. Ein höherer Beamter könnte den Minister zwar auch vertreten – man wollte aber lieber kreativ sein und ergänzte die Verfassung. Danach kann künftig ein dem roten Kanzler beigegebener und diesem weisungsgebundener schwarzer Staatssekretär den schwarzen Finanzminister und Vizekanzler im Parlament vertreten. – Damit hat die große Koalition gleich in ihren ersten Tagen Folgendes geschafft:

  • 1.
  • Sie hat die heute schon komplizierten Vertretungsregelungen zur Groteske geformt: In Hinkunft kann sich der Finanzminister, wenn er etwa in Slowenien weilt, von einem anderen BM im Parlament vertreten lassen. Fährt er aber über die Grenze nach Kroatien und verlässt er damit die EU, muss ihn ein Staatssekretär, der dem Kanzler beigegeben und diesem weisungsgebunden ist, vertreten.
  • 2.
  • Sie hat eine zweite Gruppe von Staatssekretären geschaffen: Neben denen, die „ihren“ Minister unterstützen dürfen, gibt es jetzt die, die darüber hinaus auch ein weiteres Regierungsmitglied unterstützen dürfen.
  • 3.
  • Sie hat – und das ist wirklich ein Ärgernis – demonstriert, wie sie Verfassungsreformen durchzuführen gedenkt: Ärmel aufkrempeln und im Text herumfuhrwerken. Zur Erinnerung: Vor kurzem hat der Österreich-Konvent umfangreiche Vorarbeiten für eine Verfassungsreform ausgearbeitet. Die unter anderem deshalb dringend nötig geworden ist, weil allein in der Zweiten Republik fast hundert Novellen zum BVG und über tausend Verfassungsbestimmungen neben dem BVG geschaffen wurden, was nicht nur zur Unübersichtlichkeit des Verfassungsrechts, sondern auch zu vielen Systembrüchen und damit zu zahlreichen Auslegungsproblemen geführt hat. – Und was macht die Koalition neu, die „Österreich neu regieren“ will? Kaum im Amt schon alt aussehen; aber vielleicht hat sie verborgene Werte. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.2.2007)