Berlin - Die Ankündigung des früheren Unions-Fraktionschefs Friedrich Merz (CDU), sich aus der Politik zurückzuziehen, hat am Dienstag in Berlin einen Wirbel ausgelöst. Unions-Fraktionsvizechef Wolfgang Bosbach (CDU) zeigte Verständnis für Merz und brachte ebenfalls klar seine Enttäuschung über die Arbeit der großen Koalition zum Ausdruck. Die FDP wiederum bot Merz wegen dessen wirtschaftsliberalen Positionen an, bei den Liberalen weiterzumachen. Die Opposition forderte hingegen Merz zum sofortiges Ausscheiden aus dem Bundestag auf. Der Finanzpolitiker hatte angekündigt, erst zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2009 der Politik ganz den Rücken kehren zu wollen.

Der CDU-Innenexperte Bosbach sagte im Deutschlandfunk zur Kritik von Merz, zwar müsse jeder in einer Koalition kompromissfähig sein. "Aber wenn man dann die Faust meistens in der Tasche hat, dann wird es schwer." Wenn beides nicht mehr gehe - einerseits koalitionstreu zu sein und andererseits die eigenen Überzeugungen nicht aufzugeben - "dann muss man die Konsequenzen ziehen".

Bosbach hob hervor, ihm selbst mache die Arbeit weiter Spaß. Im WDR sagte er: "Ich habe für mich persönlich die Konsequenz gezogen, weiterzukämpfen, trotz Rückschlägen und Enttäuschungen." Es gebe aber Situationen, "in denen man sagt, eigentlich geht es jetzt nicht mehr". Bosbach betonte: "Ich bin nicht so biegsam, dass ich alles mitmachen würde."

Der Bundesvorsitzende des CDU-Wirtschaftsflügels MIT, Josef Schlarmann, erklärte, die Union verliere mit Merz "einen Wirtschaftspolitiker ersten Ranges". Seine Entscheidung sei konsequent und verdiene Respekt. "Mit seinen Grundüberzeugungen musste es zwangsläufig zu Konfrontationen in der großen Koalition kommen." Der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) sagte im WDR, Merz habe "wichtige Arbeit" in der NRW-CDU geleistet. Es tue ihm "ein bisschen Leid, dass er nicht vorher das Gespräch gesucht hat".

FDP-Angebot

FDP-Vize Rainer Brüderle bot Merz an, in die FDP einzutreten. "Friedrich Merz ist herzlich eingeladen, gemeinsam mit den Liberalen in Deutschland für eine echte Steuerreform und für weniger Bürokratie zu kämpfen", sagte Brüderle dem "Handelsblatt" (Mittwochausgabe). Das Schicksal von Merz zeige, dass Reformpolitiker und leidenschaftliche Marktwirtschaftler in der Union keine Heimat mehr hätten. FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte, der Abschied von Merz belege, "dass für die marktwirtschaftliche Vernunft in der Union kaum noch Platz ist".

Merz hatte am Montagabend angekündigt: "Ich habe mich nach gründlichem Nachdenken und intensiven Gesprächen entschlossen, bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr für den Deutschen Bundestag zu kandidieren." Zum Zeitpunkt der nächsten regulären Bundestagswahl im Jahr 2009 wolle er ganz in seinen Beruf als Rechtsanwalt zurückkehren. Seine Entscheidung stehe "allerdings auch im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Politik der großen Koalition in Berlin". Merz hatte zuletzt im Bundestag auch gegen die umstrittene Gesundheitsreform der schwarz-roten Bundesregierung gestimmt.

Merz informierte keine CDU-Spitzenvertreter im voraus über seinen geplanten Rückzug aus der Politik. Er habe von Merz' Entscheidung erst aus den Medien erfahren, sagte der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Dienstag in Düsseldorf. Dass der Wirtschaftsflügel der Partei durch Merz' Abgang geschwächt werde, ließ Pofalls nicht gelten. Merz sei in der Bundestagsfraktion bereits jetzt ohne jede Funktion gewesen. Der Wirtschaftsflügel werde wichtig für die Partei bleiben. (APA/Reuters)