Wien/Graz/Klagenfurt - Kärnten und die Steiermark haben laut aufgeschrien - und die Regierung hat reagiert: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und danach auch Verkehrsminister Werner Faymann (beide SPÖ) haben Graz und Klagenfurt endgültig zugesichert, dass der umstrittene Koralmtunnel 2016 bis 2018 fertig werden soll. Der Vertrag mit den ÖBB und dem Bund, auf den sich die beiden Bundesländer berufen, lässt allerdings einige Punkte offen und bleibt oft recht vage.

Eine Schadenersatzklage sei schwierig durchzufechten. "Das alles klingt nicht nach einer harten verbindlichen Vereinbarung", analysierte der Zivilrechtler Andreas Kletecka am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radio.

Wörtlich heißt es in dem vierseitigen Vertragswerk: "Dieser Vertrag wird vom gemeinsamen Wunsch der Vertragspartner getragen, die Inbetriebnahme der Koralmbahn zum ehestmöglichen Zeitpunkt anzustreben" bzw. weiter im Artikel II zur "Umsetzung des Vertrages": "Die Vertragspartner werden alle in ihrem jeweiligen Einflussbereich liegenden Möglichkeiten ausschöpfen, um den Bau des Hauptstollens des Koralmtunnels im Laufe des Jahres 2008 zu beginnen, die verkehrswirksame Durchbindung der Koralmbahn im vertragsgegenständlichen Umfang bis zum Jahre 2016 sicherzustellen und die Koralmbahn im vertragsgegenständlichen Umfang mit Ausnahme von Restarbeiten bis zum Jahre 2018 fertigzustellen". Nach Lesart der ÖBB bedeutet das, dass der endgültige zweigleisige Ausbau bis 2018 abgeschlossen sein muss.

Investitionsplan

Danach heißt es im Übereinkommen: "Die Vertragspartner gehen auf Grund des derzeitigen Kenntnisstandes davon aus, dass die Realisierung des Vorhabens entsprechend dem nachstehenden Investitionsplan durchgeführt wird." Was folgt, ist die Auflistung jährlicher Investitionen, die demnach von heuer 100 Mio. Euro nächstes Jahr auf über 200 Mio. Euro und bis zum Höhepunkt 2015 dann über 300 Mio. Euro ansteigen sollen.

Rund 250 Mio. Euro sollen demnach erst 2019 und 2020, also nach der Fertigstellung fließen. Aus Sicht des Rechtsexperten erstaunlich: "Das heißt, es hätte eine Vorfinanzierung stattzufinden, von der ist aber im Vertrag nirgends eine Rede. Dafür müssten auch Zinsen erst eingerechnet werden, was die Gesamtkosten hinauf treiben würde. Das ist eine Widersprüchlichkeit, die sich aus dem Vertragswerk nicht klären lässt", so Kletecka.

Argumentations-Notstand

Schadenersatzklagen der Länder bei Verzögerung des Bauvorhabens räumt der Zivilrechtler aber auch deswegen schlechte Chancen ein, weil die Länder nur schwer nachweisen könnten, dass ihnen bei einer verspäteten Fertigstellung tatsächlich ein konkreter Schaden entstünde. Sie müssten beweisen, dass sich die Wirtschaft schlechter entwickelt hat als es mit Koralmbahn der Fall gewesen wäre, und dass Steuereinnahmen entgehen. "Das wird sehr schwer zu argumentieren sein", so Kletecka.

Auch eine Vertragsverletzung wäre kaum zu argumentieren, glaubt er, weil die Vertragspartner keine Garantie, sondern lediglich ein redliches Bemühen vereinbart hätten: "Wenn das redliche Bemühen zu keinem Erfolg führt, dann hat man den Vertrag nicht verletzt." Der Bund könnte sich von seiner Verpflichtung einfach dadurch befreien, dass er auf mangelnde Budgetmittel hinweist. "Damit würde diese Klage ins Nichts laufen", so der Rechtsexperte.

Resolution der Kärntner Landesregierung

Die Kärntner Landesregierung hat indes mit den Stimmen von BZÖ und ÖVP eine Resolution an den Bund verabschiedet, in welcher die Realisierung des Projektes verlangt wird. Verkehrsminister Faymann wird darin aufgefordert, die von seinem Vorgänger Hubert Gorbach (BZÖ) an die Organe der ÖBB erteilte Weisung zur Durchführung des Jahrhundert-Projektes aufrecht zu erhalten.

Die SPÖ trug die Entschließung nicht mit. Die SP-Vorsitzende LHStv. Gaby Schaunig sprach von einer "Show-Partie". LH Jörg Haider (BZÖ) und Verkehrsreferent Gerhard Dörfler (ÖVP) hätten "erkannt, dass der Vertrag aus dem Jahre 2004 nicht wasserdicht ist". Sie habe aber sowohl von Faymann als auch von Gusenbauer die Zusicherung erhalten, dass das Bahnprojekt wie geplant 2008 in Angriff genommen werde, so Schaunig.

Kärntner ÖVP will Vertrag nachverhandeln

Nach der Regierungssitzung am Dienstag widersprach Haider auch der Meinung der Rechtsexperten, dass eine Klage wenig Aussicht auf Erfolg hätte. "Die, die hier reden, wissen nicht, was wir einklagen," meinte er. Falls entgegen der jetzigen Zusicherungen von Bundesseite der Vertrag nicht eingehalten werden sollte, werde man die Bundesregierung sowie die zuständigen ÖBB-Manager klagen, bekräftigte Haider. Der Bund würde sich zudem um 280 Millionen Euro bringen, welche die Steiermark und Kärnten je zur Hälfte zum Projekt beitragen wollten.

Der Kärntner ÖVP-Chef LR Josef Martinz wünschte sich am Dienstag ein Nachverhandeln des Vertrages zwischen Kärnten und der Steiermark sowie dem Bund. Das bisherige Vertragswerk sei nämlich "nicht stichfest formuliert", meinte er unter Bezugnahme auf die Aussage des Zivilrechtlers Kletecka, der einer Klage der Länder wenig Chancen einräumt. (APA)