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Wer in seiner Wohnung Schafe schächte, habe in Frankreich nichts zu suchen, meinte Nicholas Sarkozy. Auf mysteriöse Weise verschwand just die umstrittene Äußerung in der Videoaufzeichnung, die der Kanal TF1 nach der Sendung im Internet veröffentlichte. Ein technisches Problem habe die Lücke verursacht, man arbeite an einer Wiederherstellung der vollständigen Aufzeichnung, erklärte der Sender daraufhin.

Foto: APA/EPA/ Melanie Frey
Mit Nicolas Sarkozy und hundert "repräsentativ ausgewählten Gästen" eröffnete der Sender TF1 am Montag den Reigen von Fernsehdebatten, bei denen die KandidatInnen bis zum 22. April in dutzenden Sendungen Rede und Antwort stehen.

Für eine hitzigen Wortwechsel sorgen zwei Gäste, die seine ablehnende Haltung zum Adoptionsrecht für Homosexuelle angriffen. Einer der beiden warf dem Innenminister vor, für eine "homophobe Gesetzgebung" zu stehen. Er sei nicht homophob, verwehrte sich Sarkozy und fügte hinzu, er sei "heterosexuell geboren", außerdem habe er in der Frage des Adoptionsrechts "sehr gezögert".

Stimme für Le Pen als "Akt der Verzweiflung"

Ein weiteres Mal gingen die Wogen hoch, als ein junger Mann Sarkozy vorwarf, die Grenze "wischen einem demokratischen Kandidaten und einem Populisten" überschritten zu haben und im Wählerpotential der extremen Rechten zu fischen. "Für Sie ist jemand, der Le Pen wählt, kein guter Franzose", erwiderte Sarkozy. "Le Pen zu wählen ist für mich ein Akt der Verzweiflung", so der Innenminister.

Doch damit war der Wortwechsel noch nicht beendet, der Gast zitierte Sarkozy mit den Worten "Entweder man liebt Frankreich oder man verlässt es": "Sie wissen ganz genau, dass mit kleinen Sätze wie diesen der Rassismus geschürt wird!", so der junge Mann und riet dem Kandidaten, seine Aussagen zu überdenken. "Wenn Le Pen in die Stichwahl kommt, würde mich das nicht überraschen", fügte er hinzu.

"Man schlachtet kein Schaf in seiner Wohnung"

"Wenn Le Pen sagt, 'der Himmel ist gelb', will ich nicht dazu gezwungen sein, so zu tun als wäre er blau", verteidigte sich Sarkozy, und sorgte mit seinen weiteren Ausführungen für weitere Empörung: Wer Frankreich liebe, müsse auch die republikanische Ordnung respektieren, "das heißt: man ist nicht polygam, man beschneidet nicht seine Töchter und schlachtet kein Schaf in seiner Wohnung", erklärte er. Seine Aussage sei eine "Schande", reagierte eine junge Frau aus Lille empört: "Ich komme aus Algerien, ich bin Muslimin, und ich fühle mich beleidigt."

"Wahlen erst um 20 Uhr entschieden"

Insgesamt aber sei es es eine Diskussion "ohne wirkliche Überraschungen" gewesen, analysierte die Tageszeitung "Le Monde" am Dienstag. Sarkozy habe sich als Anhänger einer ehrlichen Debatte inszeniert und großteils bereits bekannte Positionen wiederholt. Vor allem aber sei er bemüht gewesen, sich der guten Umfragewerte zum Trotz nicht zu früh als Sieger zu inszenieren. Auf die Frage aus dem Publikum, ob er Arbeitminister Jean-Louis Borloo zum Premierminister ernennen würde, antwortete der UMP-Kanidat: "Würde ich auf diese Frage antworten, würde ich damit den Eindruck erwecken, ich wäre schon am Ziel, aber das bin ich nicht", erklärte er. "Ich weiß aus Erfahrung, dass die Wahlen erst am Tag der Wahl um 20 Uhr entschieden sind."

Daher wolle er Bescheidenheit walten lassen, denn er wisse, "dass der Weg bis dahin ein langer ist." Er wolle nicht den Eindruck erwecken, dass man sich in seinem Lager bereits die Posten aufteile, während die Wahl aber noch nicht entschieden sei. Außerdem kündigte er an, er werde "etwas mehr als einen Monat" vor dem ersten Durchgang der Präsidentenwahl als Innenminister zurücktreten, also im März.

Wahlkampf im Internet

Aber nicht nur im Fernsehen, auch im Internet ist der Wahlkampf bereits in vollem Gange. Denn beide KandidatInnen wollen das "neue Medium" nutzen, um UnterstützerInnen zu gewinnen, WählerInnen zu überzeugen. Am Dienstag ging die Homepage "supporters de Sarkozy", zu Deutsch "Unterstützer von Sarkozy", online. Ziel dieser Seite soll es sein, möglichst dezentral UnterstützerInnen zu rekrutieren, die anschließend den Wahlkampf weiter tragen. Und zwar nicht nur im "Hexagon", sondern auch in den Überseegebieten: "800.000 unserer Mitbürger wählen außerhalb des Hexagon", erläuterte der Abgeordnete Yves Jégo der Zeitung Libération, der diese Clubs frankreichweit zuständig ist.

Sein Ziel: Bis zum ersten Durchgang der Wahl am 22. April 10.000 Teams mit fünf bis zehn Mitgliedern aufgebaut zu haben. Um dies zu erreichen, so die Libération, habe die Partei bereits eine Datenbank von 300.000 potentiellen SympathisantInnen. Diese sollen auf der Homepage alles finden, um einen Wahlkampf an der Basis führen zu können. Ein Vorschlag für diese Basis- Kampagne: Einen "aperitif" zu organisieren - ein in Frankreich gerne zelebriertes Zusammensein, bevor man mit Freunden ausgeht -, bei dem man sich gemeinsam die TV-Debatte mit Sarkozy ansieht, um bei den anschließenden Debatten vielleicht den einen oder die andere dezent davon zu überzeugen, doch dem UMP-Kandidaten seine/ihre Stimme zu geben.

Aber nicht nur Sarkozy, auch seine sozialistische KonkurrentIn Ségolène Royal setzt im Wahlkampf stark auf das Internet, um WählerInnen jenseits der traditionellen Wege für sich zu gewinnen. Am kommenden Sonntag wird sie die Grundlagen ihres Programmes präsentieren, das sie ausgehend von persönlichen Diskussionen sowie Beiträgen, die auf ihrer Homepage "Désirs d´avenir" eingegangen sind, erarbeitet hat. 5.000 persönliche Gespräche will Royal in ganz Frankreich geführt haben, per Internet seien über 135.000 Beiträge eingelangt. (sof)