Viel ist es nicht, was das American Enterprise Institute (AEI) als Preisgeld ausgelobt hat: 10.000 Dollar soll der Wissenschaftler erhalten, der die apokalyptischen Thesen des IPCC zur Klimaentwicklung widerlegt. Die Tatsache, dass hinter dem AEI der Ölmulti Exxon steht, sollte eigentlich etwas mehr erwarten lassen. Dieser Zusammenhang allerdings war es auch, der - wie zu erwarten - dem Anliegen sogleich den Vorwurf plumper Lobbypolitik einbrachte.

Das mag so abwegig nicht sein, dennoch zeigt es eine Bewandtnis auf, die bedenkenswert scheint: Wenn nach Meinung der meisten Klimaforscher die Erderwärmung außer Kontrolle geraten ist, so ist aus Sicht der vielen Millionen Laien die Klimaforschung selbst erst recht außer Kontrolle - naturgemäß. Denn wer von ihnen kann sich schon ein Bild davon machen, ob die Computersimulationen der Experten korrekt laufen, geschweige denn ob sie mit den richtigen Daten gefüttert sind. Abhilfe könnte ein Korrektiv schaffen mit dem offiziell erteilten Arbeitsauftrag, die alarmistischen Szenarien infrage zu stellen.

Angesichts der nie da gewesenen gesellschaftlichen Dimension dieser hochwissenschaftlichen Debatte täte eine solche Instanz dringend not. Doch dafür fehlt ganz offenbar der Wille. Stattdessen werden Kritiker, die beileibe durchweg keine Industrievertreter sind, ins Lächerliche gezogen - mit der Tendenz, sie fast schon zu kriminalisieren.

So einmütig, wie nun in Paris hochoffiziell verkündet, ist die Gemeinde der Klimaforscher nämlich nicht. Es gibt sie, die Kritiker, die eigene Eisbohrkerne aus dem ewigen Eis holen, die Daten erheben, selbst Berechnungen anstellen und zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Zum Beispiel die Experten der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Auch renommierte Meteorologen haben einen anderen, weit weniger dramatischen Blick auf das Geschehen um Wetter und Klima. Einige von ihnen lieferten auch dem IPCC zu, waren in Paris bei den Beratungen dabei.

Doch seit dem letzten IPCC-Bericht aus dem Jahre 2001 haben sich nicht nur die Klimaprognosen dramatisiert, auch der Umgang mit den Klima-skeptikern. Inzwischen nennt man sie "Klimaleugner", unter offensichtlicher Anspielung auf die - kriminellen - Leugner des Holocaust. Die deutschen "Leugner" sind inzwischen alle in einer Liste aufgeführt, die "seriöse" Klimaforscher erstellten. BGR-Forscher sind darauf, Physikprofessoren, insgesamt 31 Skeptiker, mit denen in Kontakt zu stehen nicht opportun erscheint. Medien wie die tageszeitung, die mit ihrem Anspruch auf die Vertretung von Minderheitenmeinung groß wurde, sind sich dabei nicht zu schade, Abweichler von der großen Klimalinie öffentlich und namentlich zu stigmatisieren.

Immerhin ist es in unseren Breiten noch nicht ganz so weit wie im "Ökoparadies" Kalifornien, wo ein Staatsanwalt kürzlich Ermittlungen anstellte, inwieweit der Klimaforscher des renommierten Massachusetts Institute of Technology, Richard Lindzen, mit der Autoindustrie die Köpfe zusammensteckte. Lindzen hatte als Kritiker am 2001er Report mitgearbeitet, zog sich inzwischen jedoch zurück. Seine Begründung: Beim IPCC-Bericht handle es sich um Politik, nicht um Wissenschaft. Womit er auch darauf anspielte, dass in den Verhandlungen in Paris vor der Berichtspräsentation die Politiker das Sagen hatten, nicht die Wissenschaftler. Und es war auch die Änderung eines mehr gesellschaftspolitischen als physikalischen Parameters, der zur Dramatisierung des 2007er Reports gegenüber dem vorherigen beitrug: Der Anstieg des Bruttosozialprodukts vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern wurde einfach nach oben korrigiert, teilweise ins Absurde angehoben, sodass die Projektionen des Kohlendioxidausstoßes ebenfalls hinaufwanderten ...

In jene Liste mit den 31 Dissidenten kann man flugs aufgenommen werden, wenn die eigenen Berechnungen etwa für den Meeresspiegelanstieg bis zum Jahre 2100 nicht im offiziellen Rahmen zwischen 19 und 58 Zentimetern liegen, sondern deutlich darunter - "Klimaleugner", abgestempelt. Den prominentesten deutschen Klimaforscher indes, Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), hat bislang noch niemand ins Abseits stellen wollen, wenn er das allerhöchste Szenario der IPCC mal eben fast mit dem Faktor vier versieht und einen Anstieg von zwei Metern vorhersagt - damit er prophezeien kann, dass Sylt untergeht. Hie die Ketzer, die Häretiker mit ihrer abweichenden Lehre. Da die Glaubenslehrer, bei denen sich die Frömmigkeit in apokalyptischen Celsiusgraden und dem Pegelstand der Sintflut bemisst. Sie haben uns zurzeit im Griff. Die Parallelen zur Religion fügen sich durchaus, kaum ein Baustein dafür fehlt. Die Erbsünde aus der industriellen Revolution, die Buße, der Verzicht, die von uns verlangt werden, das dennoch kommende Jüngste Gericht, die große Schar Gläubiger und ein paar unverbesserliche Ungläubige, die gebrandmarkt gehören, wenn es denn schon keinen Scheiterhaufen mehr gibt. Die Zeitungen zeigen uns Bilder aus dem Jahre 2100, die den apokalyptischen Schinken von El Greco oder van der Weyden in nichts nachstehen. War es das, wonach es uns in der so lange gottlosen Zeit dürstete?

Wenn es denn so wäre, so stünden wir noch in der vorlutherischen Zeit, denn die Trennung läuft nicht nur zwischen Gläubigen und Ungläubigen, sondern ebenso zwischen den Wissenden, die der Formeln und Simulationen kundig sind einerseits, sowie den Laien, die all dies so wenig verstehen wie der mittelalterliche Landmann die lateinische Bibel andererseits.

Eine Reformation jedenfalls täte der Klimareligion gut, und dazu beitragen könnte eine offizielle Instanz, die die gegenläufige Forschungsrichtung einschlägt: wider den Weltuntergang. Exxon sollten wir das nicht überlassen.

Energieeffizienz, Entwicklung alternativer Energien sind so oder so notwendig, und es wird genauso wenig zum Weltuntergang führen, wenn sich der Benzinpreis in den nächsten fünf Jahren verdoppelt. Doch ob es wirklich das Spiel mit dem Jüngsten Gericht ist, das uns den Weg dorthin weisen kann, darf bezweifelt werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.2.2007)