Brüssel - Vor der erwarteten Frühjahrsoffensive der Taliban in Afghanistan sucht die NATO erneut nach Truppen. Doch bei dem Treffen der Verteidigungsminister der Allianz am Donnerstag und Freitag im spanischen Sevilla dürfte der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung einer der wenigen sein, die eine Zusage im Gepäck haben. Jung bringt die Kabinettsentscheidung für die Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen der deutschen Luftwaffe mit, auch wenn der Bundestag im März den Beschluss noch bestätigen muss.

Mit mehr als 4.000 Toten war das vergangene Jahr das verlustreichste in Afghanistan seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban durch US-geführte Truppen Ende 2001. Im Frühjahr werden erneut schwere Kämpfe im Süden und Osten erwartet. Dort sind zwar keine deutschen Soldaten stationiert, doch die Tornados sollen mit ihrer Luftaufklärung auch in den Kampfgebieten helfen.

Tornados nicht für Kampfeinsätze

Allerdings sollen die Flugzeuge nicht direkt in Kämpfe eingreifen. Auch sollen die Erkenntnisse der Flugzeuge nur begrenzt an die Einheiten des offensiveren US-geführten Anti-Terror-Kampfes "Enduring Freedom" weiter gegeben werden. In NATO-Kreisen wird allerdings bezweifelt, dass sich beide Einsätze haarscharf trennen lassen, schließlich haben sie einen gemeinsamen Kommandanten.

Die Tornados, die mit bis zu 500 weiteren Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan im Rahmen der NATO-Truppe ISAF stationiert werden sollen, haben nebenbei noch ein politisches Ziel. Nachdem die deutsche Regierung innerhalb des Bündnisses im Herbst unter starken Druck geriet, Bodentruppen in die verlustreichen Kämpfe mit den Taliban zu schicken, sollen sie solche Forderungen für die Zukunft abblocken. Deutschland hat bisher 2.900 Soldaten zumeist im Norden eingesetzt und legt einen Schwerpunkt auf zivilen Wiederaufbau, um die Bevölkerung für die demokratische Regierung zu gewinnen.

2.000 zusätzliche Soldaten gesucht

Der neue NATO-Oberbefehlshaber, US-General Bantz Craddock, will in Sevilla rund 2.000 zusätzliche Soldaten für Afghanistan anfordern, wie es in Bündniskreisen hieß. In amerikanischen NATO-Kreisen wurde für einen entschiedenen Kampf gegen die Taliban geworben. "Gemeinsam mit der afghanischen Armee müssen wir jetzt unseren Job machen, Schlupflöcher der Taliban beseitigen und die Grenze (nach Pakistan) sichern", sagte ein US-Vertreter.

Umfassende Zusagen bei dem ersten Treffen mit dem neuen US-Verteidigungsminister Robert Gates gelten aber als unwahrscheinlich. Die USA waren kürzlich zwar vorgeprescht und hatten eine Verstärkung ihres Anteils an den derzeit 34.000 ISAF-Soldaten angekündigt. Außenministerin Condoleezza Rice hatte die anderen Staaten aufgerufen, ebenfalls mehr Kampftruppen bereitzustellen. Seitdem hat allerdings lediglich Großbritannien mit 800 Soldaten ein größeres Kontingent angekündigt. Spanien, die Niederlande, Frankreich und die Türkei haben Verstärkungen bereits ausgeschlossen.

Die ISAF ist von den Vereinten Nationen damit beauftragt, die afghanische Regierung zu unterstützen und Stabilität im Lande zu schaffen. Die radikal-islamischen Taliban bekämpfen die Regierung in Kabul und haben vor allem im Grenzgebiet zu Pakistan an Stärke gewonnen. Die US-Regierung will mit Blick auf die Präsidentenwahl im kommenden Jahr zeigen, dass sie die Aufstände im Irak und auch in Afghanistan in den Griff bekommt. (APA/Reuters)