Washington/Wien - "Die USA haben eine zwingende historische und moralische Veranlassung, den Genozid an den Armeniern, der eineinhalb Millionen Menschen das Leben gekostet hat, anzuerkennen", heißt es auf der Website von Adam Schiff, einem US-Kongressabgeordneten.

Vor einer Woche hat der demokratische Volksvertreter aus Kalifornien bei einer Pressekonferenz in Washington angekündigt, dass er gemeinsam mit anderen Abgeordneten eine Resolution einbringen will, welche unmissverständlich festhält, dass es sich bei den Ereignissen des Jahres 1915 um einen Völkermord gehandelt habe. Schiff führt einen weiteren Grund für seine Resolution an: "Wie können wir gegen den Genozid in Darfur vorgehen, wenn es uns am Willen mangelt fehlt, einen Völkermord, wo und wann immer er stattfindet, auch als solchen zu verdammen?"

Obwohl es sich bei der Resolution im Wesentlichen um einen symbolischen Akt handeln würde, hat die Türkei sofort empfindlich reagiert. Außenminister Abdullah Gül warnte am Dienstagabend bei einem Besuch in Washington, dass die amerikanisch-türkischen Beziehungen "schweren Schaden" leiden könnten, sollte die Resolution tatsächlich verabschiedet werden.

Ähnliche Resolutionsversuche hat es im US-Kongress schon früher gegeben, doch keinem war bisher Erfolg beschieden. Diesmal steigern aber zwei Umstände die Nervosität der Türken: Erstens haben die Demokraten, die seit November wieder eine Mehrheit in beiden Kongresskammern haben, ein offeneres Ohr für die Anliegen der armenischen Lobby in den USA als die Republikaner. Zweitens hat die Ermordung des armenischstämmigen türkischen Journalisten Hrant Dink durch einen nationalistischen Jugendlichen den armenisch-türkischen Konflikt wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Zuletzt hat die Pariser Nationalversammlung im Oktober des Vorjahres ein Gesetz verabschiedet, welches die Leugnung des Völkermordes unter Strafe stellen würde. Obwohl die Zustimmung des Senats zu dem Gesetz noch aussteht, reagierte die offizielle Türkei heftig verärgert. (win, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 8.2.2007)