Wem nützt Online-Kopierschutz für Musik? Erstens der Musikindustrie, zweitens den Rechtsanwälten, drittens ihren Entwicklern. Für Konsumenten hingegen sind DRM-Systeme (Digital Rights Management) nervtötend, weil sie den Wechsel zwischen Angeboten schwierig bis unmöglich machen und an sich einfache Geräte unnötig verkomplizieren, da man nicht beliebig zwischen allen Bestandteilen (Computer, MP3-Player, Stereoanlage, Autoradio) wechseln kann.

Qualitätsverlust schreckt kaum

Das beste Argument gegen Kopierschutzsysteme liefern die Labels selbst, indem sie neun von zehn Musiktitel ungeschützt über CDs verkaufen, hingegen nur jeweils einen von zehn Titel online. Wer also (raub-)kopieren will, der bedient sich einer CD, oder mit einem kleinen Umweg brennt man die geschützte Onlinedatei auf CD, um sie durch neuerliches Konvertieren wieder zu schützen - der resultierende Qualitätsverlust ist so gering, dass er kaum einen Piraten abschreckt.

Punktgenau zur Mutation

Steve Jobs Forderung nach einem Ende des sinnlosen Kopierschutzes - der WebStandard berichtete - kommt punktgenau zur Mutation des bisherigen Computerherstellers in einen Unterhaltungskonzern. Am Tag davor gab es eine umfassende Einigung zwischen Apple Inc. (dem iPod-Hersteller) mit Apple (dem Beatles-Label) über die Namensrechte. Diese sind jetzt alle bei Apple Inc. und werden für das Plattenlabel an Apple zurücklizenziert. Dabei gibt es ein bisher wenig beachtetes "Kleingedrucktes": Auf Basis der bisherigen Vereinbarung durfte Apple Inc. keine "Tonträger" verkaufen. Es konnte also zum Beispiel keine mit Musik befüllten iPods auf den Markt bringen. Die U2-Special-Edition des iPod wurde darum zusammen mit einem Gutschein für den Download von U2 verkauft; logischer wäre es, wenn die Musik bereits am iPod wäre, damit Käufer ohne PC gleich nach dem Kauf ihre Musik hören können.

Türe weit offen

Diese Tür ist für Apple jetzt weit geöffnet - und der Verzicht auf den Kopierschutz ist der letzte Baustein dazu. Demnächst könnte also der "Yellow Submarine iPod" auf den Markt kommen, mit speziellem Cover und einer umfassenden Beatles-Compilation - kaufen und gleich anhören, eine Möglichkeit, die keiner CD je gegeben war. Und ohne Kopierschutz kann man die Musik später einfach vom iPod auf seinen Computer überspielen.

Produzent - Verkäufer

Die Vermutung liegt nahe, dass Apple vom reinen Verkäufer auf diese Art und Weise zum Produzenten mutieren will. Schon heute nutzen junge Musiker und Bands zunehmend die Möglichkeiten des Webs zur Promotion; Statt den mühevollen Weg durch die Talentesuche von Plattenlabels zu gehen, stellt man die eigene Musik auf MySpace oder eine eigene Website und versucht, sich einen Namen zu machen, dem auch Verkäufe folgen.

Ideales Vehikel

Der iTunes-Store ist dazu das ideale Vehikel: keine Einstandskosten, geringe Produktionskosten und ein Vertriebsmodell ohne Reibungsverluste - quasi "Starmania" per Internet. Sobald es der musikalische Nachwuchs geschafft hat via iTunes bekannt zu werden, können Kooperationen mit traditionellen Musiklabels und ihrem CD-Vertriebsapparat folgen. Im kleinen Maßstab passiert dies schon jetzt mit meist unentgeltlichen Podcasts.

Ein guter Weg für die Musikindustrie, sich diese Konkurrenz noch eine Zeit lang vom Leib zu halten, besteht natürlich darin den Kopierschutz so lange wie möglich beizubehalten. Es ist aber auch ein perfektes Mittel, um die eigenen Konsumenten zu vergrämen, vor allem die jungen. Denn die wissen schon längst, wie man den Schutz umgeht - zum Nulltarif.(Helmut Spudich, DER STANDARD/PRintausgabe vom 8.2.2007)