Edinburgh/Wien - Das nach dem Wiener Kinderneurologen Univ.-Prof. Dr. Andreas Rett (1924 bis 1997) benannte Rett-Syndrom könnte in Zukunft heilbar werden. Britische Wissenschafter haben an genetisch veränderten Mäusen durch die Wieder-Aktivierung des im Rahmen dieser Autismus-Form lahm gelegten Gens MECP2 eine Umkehrung des Krankheitsverlaufs geschafft. Dies berichten Dr. Adrian Bird (Universität von Edinburgh) und seine Co-Autoren in der neuesten Angabe der US-Wissenschaftszeitschrift "Science". Bird forschte vor einigen Jahren am Institut für Molekulare Pathologie in Wien.

Bei der Krankheit handelt es sich um eine Störung des Gehirn-Stoffwechsels, die nur bei Mädchen auftritt. Es kommt zu einem Stillstand der motorischen und der psychischen Entwicklung. Ein Charakteristikum: Bei der Geburt sind die Kinder völlig gesund, das Leiden tritt ab dem sechsten bis 18. Lebensmonat auf. Weltweit leiden rund 3.000 Kinder am Rett-Syndrom.

Ursache

Die aus Deutschland stammende und in den USA arbeitende Genetikerin Uta Francke hat auf der Basis der Arbeiten des ehemaligen IMP-Wissenschafters Adrian Bird die eigentliche Ursache geklärt: Veränderungen in dem von dem britischen Forscher 1990 entdeckten MECP2-Gen führen zu einer Störung, durch welche Genabschnitte fälschlicherweise aktiviert werden und so zu dem Schaden führen. Es handelt sich dabei um eine epigenetisch bedingte Erkrankung. Das heißt, dass die Funktion des Gens nicht durch eine DNA-Mutation, sondern durch das fehl geleitete Abschalten seiner Aktivität gestört ist.

Therapieansatz

Jetzt hat Bird einen ersten möglichen Therapieansatz geschafft: Er züchtete Mäuse, bei denen das MECP2-Gen so lange unterdrückt wurde, bis die Tiere als Gegenmittel das Anti-Östrogen Tamixofen erhielten. Das Ergebnis: Jene Nager, bei denen das Gen wieder funktionierte, erkrankten - so die Tiere früh genug behandelt wurden -, erst gar nicht an dem künstlich hervor gerufenen Rett-Syndrom.

Damit nicht genug. Der Wissenschafter: "Wie viele andere Forscher glaubten wir, die 'Rückgabe' von MECP2 würde bei bereits kranken Mäusen nichts mehr helfen. (...) Aber unsere Ergebnisse sind ausgesprochen klar." Die Wiederherstellung der Funktion des Gens über einen Zeitraum von vier Wochen hinweg ließ die aufgetretenen Krankheitssymptome wie Zittern und eine gestörte Atemfunktion wieder verschwinden. Das bedeutet gleichzeitig, dass es im Rahmen des Leidens offenbar zu keinen irreparablen Schäden im Gehirn kommt. Die Tiere erlagen auch nicht der schweren neurologischen Erkrankung.

"Unsere Resultate sollten jenen Menschen Hoffnung geben, die vom Rett-Syndrom betroffen sind", so der britische Forscher. Das wäre natürlich nach der Erstbeschreibung der Krankheit durch Andreas Rett im Jahr 1966 der größtmögliche Fortschritt auf diesem Gebiet. (APA)