Eine bessere finanzielle Absicherung der Pflege hieß für die Deutschen zunächst: weniger Freizeit. Als die Pflegeversicherung im Jahr 1995 eingeführt wurde, wurde gleichzeitig ein gesetzlicher Feiertag (der evangelische Buß- und Bettag, ein Mittwoch elf Tage vor dem ersten Adventsonntag) abgeschafft, um eine weitere Steigerung der Lohnnebenkosten zu vermeiden. Gezahlt werden muss trotzdem, denn die Beiträge zur Pflegeversicherung teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer (letztere müssen übrigens mehr zahlen, wenn sie keine Kinder haben).

Ein Dutzend Jahre später zeigt sich, dass das im Umlageverfahren organisierte Pflegeversicherungsmodell nicht ausreicht, um den Pflegebedarf zu finanzieren: Rund 50 Millionen Beitragszahler brachten (im Jahr 2005) 17,5 Milliarden Euro auf, mit denen 1,95 Millionen Pflegefälle versorgt werden sollten. Deren Zahl steigt - doch selbst wenn die Pflegeversicherung nicht defizitär wäre, würden die Beiträge nicht ausreichen, alle Pflegebedürftigen auch wirklich adäquat zu betreuen.

Pflegegeld reicht nicht

Denn das Pflegegeld (in drei Stufen von 205 bis maximal 665 Euro pro Monat) reicht in Deutschland so wenig wie in Österreich für eine Rundumbetreuung daheim. Für ambulante Dienste und stationäre Pflege, die als Sachleistung gewährt werden, gibt es zwar 384 bis 1432 Euro Zuschuss, hier werden aber besondere Qualitätsmängel gerügt. Und Verwandte sowie Sozialhilfe müssen zudem finanziell einspringen.

Aktuell diskutiert wird eine einschleifende Abkehr vom Umlageverfahren, so dass die Pflegeversicherung einen Kapitalstock aufbauen kann. Klar ist nur eines: Es wird für die Versicherten teurer. (cs/DER STANDARD, Printausgabe, 9. Februar 2007)