Bild nicht mehr verfügbar.

Symbolisieren das Janusköpfige an der großen Koalition: Sozialminister Buchinger (SP) und Arbeitsminister Bartenstein (VP).

Foto: Fischer, Reuters
Zwei Minister, ein Thema: Martin Bartenstein (VP) und Erwin Buchinger (SP) kommen einander häufig in die Quere. Ein Konflikt mit Symbolcharakter für die große Koalition.

* * *

Wien – Diesen Sonntag haben sie ihren nächsten gemeinsamen Auftritt. Und auch der wird, aller Voraussicht nach, von Differenzen geprägt sein: Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) sind zu Gast in der ORF-Talksendung „Offen gesagt“. Thema ist der innenpolitische Streitfall Nummer eins: die Reform des Pflegesystems. Dass die beiden gleich in der Anfangsphase der Regierungszusammenarbeit mit schöner Regelmäßigkeit aneinandergeraten, hat weniger mit den Personen Bartenstein und Buchinger zu tun.

Ihre Differenzen sind vielmehr Ausdruck einer Koalition, die bis dato alles andere als rund läuft. SPÖ und ÖVP betrachten einander weniger als Partner, sondern vielmehr als Konkurrenten – und behalten einander stets eifersüchtig im Blick. Gemeinsame Präsentation von Reformmaßnahmen sind die Ausnahme. Stattdessen wird um die Wette gelaufen.

Jüngstes Beispiel: Die ÖVP – – war diese Woche mit einem Gesetzesentwurf für eine arbeitsrechtliche Regelung für Pflegekräfte vorgeprescht. Die SPÖ – mit Wortführer Buchinger – fühlte sich düpiert und brandmarkte den Entwurf prompt als unrealistisch.

Anhebung des Pensionsalters

Am Freitag wagte wiederum der rote Sozialminister einen Vorstoß: Er spekulierte offen mit einer Anhebung des Pensionsalters auf mehr als 65 Jahre. Bartenstein konterte umgehend: „Eine Anhebung steht in keiner Weise zur Diskussion“, sagte er dem STANDARD. „Wir haben dank der Pensionssicherungsreformen eines der besten Systeme der Welt. Eine Verunsicherung der Menschen gerade durch lautes Nachdenken ist nicht hilfreich und verzichtbar.“ Kurz danach musste Buchinger kleinlaut per Presseaussendung klarstellen, es sei „definitiv keine Anhebung geplant“.

Pflicht-Paarlauf

Im Miteinander-Ringen um die thematische Vorherrschaft haben die Minister, die sich auf dem zentralen Arbeitsfeld der Regierung, „Arbeit und Soziales“ beweisen müssen, mittlerweile jedenfalls eine gewisse Routine.

Unübersehbar wurde das gespannte Verhältnis zwischen Buchinger und Bartenstein beim Ministerrat vor einer Woche. Kurzfristig mussten die beiden, anstelle von Kanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer, das Pressefoyer leiten. Man ging höflich und freundlich miteinander um, betonte das „Gemeinsame“ im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit – und dennoch zuckte Bartenstein kaum merklich zusammen, als Buchinger öffentlich klarstellte, er sei eigentlich dessen „Co-Arbeitsminister“ in der Regierung. Ein paar Tage später meinte der ÖVP-Mann im kleinen Kreis, maliziös lächelnd, der Herr Kollege Sozialminister müsse sich wohl noch einmal genauer die Liste seiner Zuständigkeiten durchsehen.

Größere faktische Macht

Tatsächlich ist Martin Bartenstein derjenige mit der größeren faktischen Macht, mit den weit wichtigeren Kompetenzen. Er ist für die Wirtschaftspolitik, Teile der Forschungspolitik und die gesamte Arbeitsmarktpolitik zuständig – sehr zum Schmerz Buchingers, der in diesem Bereich Fachmann ist. Es gelang dem neuen Sozialminister kaum, seine Enttäuschung zu verbergen, dass Alfred Gusenbauer in den Koalitionsverhandlungen die Arbeitsmarktagenden der ÖVP überließ.

Sympathieträger

Dennoch nahm er das Angebot, Sozialminister zu werden, an: Weil er wenigstens die Chance sah, sein politisches „Baby“, die „bedarfsorientierte Mindestsicherung“, zu verwirklichen. Und weil er ein „treuer Heinrich“ sei, wie ihm die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burg-staller hinterherweint. Tatsächlich hat Buchinger den Ruf unverbrüchlicher Loyalität – das lässt auch Kanzler Alfred Gusenbauer leichter ertragen, dass der neue Minister derzeit in den Beliebtheitswerten, ganz im Gegensatz zu ihm, abhebt.

Dass Buchinger ein Sympathieträger und ein Medientalent ist, das sogar eine derart populistische Aktion wie einen öffentlichen Haarschnitt noch halbwegs anständig aussehen lässt, mache ihn auch in den Augen der ÖVP so gefährlich, heißt es in roten Regierungskreisen. Vor allem im direkten Vergleich mit seinem Koalitionspendant Bartenstein, dem Industriellen mit dem Habitus eines Landadeligen, könne Buchinger punkten, sagt einer, der beide seit Langem kennt – und bringt einen drastischen Vergleich: „Der Bartenstein wirkt halt wie ein Kühlschrank, der Buchinger wie eine Heizdecke.“

Molterer schoss sich auf Buchinger ein

Und deshalb habe sich nicht zufällig gleich zu Beginn Vizekanzler Wilhelm Molterer auf Buchinger eingeschossen – und zwar nicht aus Ärger wegen dessen Vermögenssteuer-Vorstoßes, sondern aus Kalkül, um diesen gleich zu Anfang politisch zu beschädigen, wird in der SPÖ kolportiert. „Wir orientieren unsere Politik nicht nach Beliebtheitsumfragen“, heißt es im Finanzministerium zu solchen Verschwörungstheorien nur knapp.

Dass es manch schwarzem Minister derzeit eine gewisse Freude bereitet, sein groß-koalitionäres rotes Visavis zu triezen, streitet aber niemand in der ÖVP ab. Die Gelegenheit könnte nicht besser sein: Während in der ÖVP zum Großteil erfahrene Ressortchefs mit eingespielten Kabinetten am Werk sind (Molterer übernahm beispielsweise die halbe Mannschaft Wolfgang Schüssels), stottert die rote Ministerbürokratie noch hörbar vor sich hin. Als Alfred Gusenbauer seine SPÖ-Minister vor rund zwei Wochen fragte, wer schon die Kompetenzen in seinem Ressort geordnet habe, war Buchinger aber immerhin der Erste, der mit einer Vollzugsmeldung glänzte.

Schwarzer Arbeitseifer

Die ÖVP ist dennoch bemüht, das Bild von der SPÖ, die dem Umgang mit der Macht verlernt hat, aufrechtzuerhalten. Schon Freitag vor einer Woche, als sich die schwarze Regierungsriege medienwirksam in „Arbeitsklausur“ begab, lautete Molterers Losung: Wir sind es, die schon arbeiten.

Nichts anderes hätte man nun auch im Fall des Pflegeentwurfs gemacht, wird in der ÖVP treuherzig argumentiert. Der Entwurf war fertig, deshalb habe man ihn präsentiert. Dass der Koalitionspartner von Bartensteins Initiative aus den Medien erfuhr, tue doch wirklich nichts zur Sache. All das sind Methoden des großkoalitionären Wir-schenken-einander-nichts-Spiels der alten Schule, die zwar persönliche Eitelkeiten befriedigen, der Regierung in ihrer Gesamtheit aber schaden.

Dabei können gerade Buchinger und Bartenstein persönlich gar nicht schlecht miteinander. Im täglichen Polit-management sind sie einander, trotz unterschiedlicher Sozialisation, durchaus ähnlich: Beide verteilen sehr präzise Arbeitsaufträge, sind effizient und fordern fixe Termine und konkrete Ergebnisse ein. Bei aller Verbindlichkeit haben sie sich zu einem noch nicht durchgerungen: Sie verkehren dem Vernehmen nach nach wie vor per Sie. (Petra Stuiber und Barbara Tóth, DER STANDARD, Printausgabe 10./11.2.2007)