"Scheich" Adnan Ibrahim von der Schura-Moschee in der Praterstraße: "Ich habe mich nur gegen die Diktaturen in der arabischen und muslimischen Welt gewandt."

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Adnan Ibrahim von der Schura-Moschee in Wien gilt als liberaler Imam - und als "Hassprediger", gegen den der Verfassungsschutz ermittelt. Der Palästinenser verurteilt den Terrorismus, macht sich aber mit zwiespältigen Aussagen Probleme.

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Wien - Scheich Adnan Ibrahim zitiert Koranstelle auf Koranstelle, Prophetenausspruch auf Prophetenausspruch. Seine Stimme wird immer lauter, seine Betonung immer intensiver, seine Gestik immer wilder. Der Scheich - in diesem Kontext "Gelehrter", "Respektsperson" - hält einen Vortrag im Hörsaalzentrum der Uni Wien im Alten AKH vor gut 200 Zuhörern zum Thema "Freiheit im Islam - Unterdrückung, Zensur, Gewalt?".

Es fallen Sätze wie "Der Islam will keinen Krieg mit anderen". Allerdings: Wäre nicht die deutsche Übersetzung aus dem Arabischen, man könnte bloß von der Tonalität und der Vehemenz des Vortrags her glauben, hier predige ein Fanatiker. Hier spricht aber ein Imam ("Vorprediger"), der von der offiziellen Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich als liberaler und gemäßigter Vorzeige-Muslim präsentiert wird. Manches ist zumindest zwiespältig: "Wir bekämpfen nur den, der uns bekämpft hat."

Es gibt das Phänomen der "arabischen Rhetorik": je wilder, desto publikumswirksamer. Scheich Adnan ist ein äußerst beliebter Redner, Kassetten von seinen Predigten in der Schura-Moschee in der Wiener Praterstraße zirkulieren in der arabischen Welt, die Texte erscheinen auf Websites. Das hat dem Mittvierziger und fünffachen Vater jetzt eine anonyme Anzeige wegen "Terrorismus und öffentlichem Aufruf zum bewaffneten Aufruhr gegen die staatlichen Institutionen" eingetragen. Der Verfassungsschutz ermittelt.

Vorweg: Es wird wohl zu keiner Anklageerhebung kommen. Aber die Aussagen Adnans hören sich zunächst einmal ziemlich eindeutig an: Am 4. August 2006 sagte er (laut Anzeige) bei einer Predigt: "Die Völker der islamischen und arabischen Nationen sollen auf die Straße gehen, um die Herrscher zu stürzen." Es sei die Pflicht jedes Muslims, gegen die "schwache, verräterische Haltung der arabischen Führer zu rebellieren". (Was vielleicht ein Hinweis auf die Herkunft der Anzeige ist.) Aber auch: "Wollt ihr als Zuschauer warten, was im Irak und in Israel geschieht?" Außerdem habe er in einem früheren Gutachten, Ehen zwischen Muslims und Christen abgelehnt zu haben.

Der Papst, ein "Narr"

Schließlich wurde ihm nun in einem Artikel der Wiener Zeitung vorgeworfen, den Papst als "Narr" bezeichnet zu haben, den Gott "nicht mehr am Leben erhalten möge". Allerhand Erklärungsbedarf. Scheich Adnan dazu: "Aus dem Zusammenhang gerissen", "Übersetzungsfehler", "etwas in den Mund gelegt, was ich gar nicht gesagt habe". Die Website, auf der er (angeblich falsch) zitiert wird, enthält auch allerlei seltsame Behauptungen ("Saddam lebt"). Tatsächlich hat Adnan in seinen grundsätzlichen Äußerungen unzweifelhaft den Terrorismus als Sünde verurteilt, und er hat eine Fatwa (Rechtsgutachten) gegen die weibliche Genitalverstümmelung erlassen. Die Sache mit den Mischehen sei zehn Jahre alt, er denke jetzt anders darüber.

Er selbst und andere führen seinen Hintergrund an: Adnan, ein österreichischer Staatsbürger, ist ein Palästinenser aus Gaza, Angehörige leben dort. Die Predigt fand während des Libanonkrieges statt. "Er hat die Nerven verloren und einiges gesagt, was nicht harmlos ist", erklärt Anas Shakfeh, Chef der Islamischen Glaubensgemeinschaft, dazu. "Er hat sicher nicht zum Djihad aufgerufen, aber bei manchen Predigern muss sich etwas ändern." (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 12. Februar 2007)