Eindringlich: Hosas "Etwa 22 Kubikmeter".

Foto: Kunstraum/Julia Schulz
Wien - Manchmal ist es gerade das Wenige, das beeindruckt und unangenehm berührt. Einfache Dachlatten, solche, an denen man sich beim Drüberfahren mit dem Finger einen Holzschiefer einziehen kann, hat Bernhard Hosa zu einem simplen Etwa 22 Kubikmeter-Raum zusammengezimmert.

22 Kubikmeter, das waren nach Schätzung eines ehemaligen Insassen der Haftanstalt Stein die Maße seiner Zelle; also 7,5 bis 8 Quadratmeter, je nach Deckenhöhe. Solange man sich nicht vorstellt, abzüglich einer Stunde Bewegung im Freien "seine Zeit" darin abzusitzen, mag das passabel klingen. Hosas Holzkäfig im Kunstraum Niederösterreich lehrt das Gegenteil und mehr: dass zum Beispiel im österreichischen Strafvollzugsgesetz §40 nur von "ausreichend Luftraum" für den Häftling gesprochen wird - "menschenwürdig" heißt es undefiniert in der Anhalteordnung des Bundesministeriums für Inneres. Konkreter das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (ECPT): 6,3 Quadratmeter für eine Person sind "angemessen", elf für zwei "zufrieden stellend".

Kontrollgesellschaft

Hosas sehr konkrete Versinnbildlichung des Zwangs, der auf den Körper ausgeübt wird, steht in der Ausstellung Der gesichtslose Blick noch stellvertretend für Strukturen und Mechanismen der "Disziplinargesellschaft" (Michel Foucault). Die von Kuratorin Alexandra Schantl zusammengetragenen fünf künstlerischen Positionen illustrieren den Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft - laut Gilles Deleuze "ein neues Machtparadigma, das dadurch definiert ist, dass Techniken der Biomacht die gesamte Gesellschaft durchziehen".

Das primäre Medium der Überwachung, Video, benutzen auch Markus Gradner und Stephan Uggowitzer, die zwei Schwarzarbeiter anheuerten, einen Sockel zu bauen, und dabei zugleich als "Täter" einer illegalen Handlung wie auch als "Komplizen" des Überwachungssystems agieren. Und Hannah Swoboda geht von einer Verdachtsgesellschaft aus, in der jeder kontrolliert und gemaßregelt werden muss, und unterläuft dieses System mittels Gebotsschildern: "Bitte hier sprayen" oder "rauchen" oder "einbrechen". Ein eher unfreiwilliger Kommentar zum Thema ist aber der Ausstellungsraum selbst, der sich erst nach Passieren von Kontrollorganen im Niederösterreich-Palais öffnet ... (Anne Katrin Feßler/DER STANDARD, Printausgabe, 12.2.2007)