Der SPÖ-Kanzler appelliert, alle sollten sich bemühen, "ohne Aufgeregtheit zu einem Miteinander zu finden". Der ÖVP-Vizekanzler repliziert, es gehe nicht an, dass die SPÖ "den Partner demütigt und ärgert", und mahnt im Übrigen von dieser "mehr Reformbereitschaft" ein. Daraufhin antwortet der SPÖ-Kanzler, die ÖVP möge aufhören, "ständig beleidigt zu sein". Szenen einer "Koalition neu"?

Von wegen. Die Zitate stammen allesamt aus der Schlussphase der großen Koalition im Jahr 1999, die handelnden Personen waren Viktor Klima (Kanzler) und Wolfgang Schüssel (Vizekanzler). Dass sie dennoch so aktuell klingen, liegt am Zustand der heutigen großen Koalition, die gerade einmal einen Monat jung ist. Da wurde von Beginn an gestichelt und geärgert, sekkiert und polarisiert, dass es eine Lust ist - zumindest für Paartherapeuten, die täglich Anschauungsmaterial bekommen.

Man streitet über eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Fortsetzung des Privatisierungskurses (was beides nicht Teil des Koalitionsübereinkommens ist), ist uneinig bei Pflegereform und Anhebung des Pensionsalters, zuletzt sorgt die Kanzler-Idee eines "Klimaschutz-Beauftragten" für wechselseitige Unfreundlichkeiten.

Schuld an der Malaise sind, wie auch sonst zumeist in Zweierbeziehungen, beide Partner. Es wirkt tatsächlich so, als sei die SPÖ von der Rückkehr an die Regierungsmacht überrascht worden, die sie sich doch sechs Jahre lang erträumt hat. Es fehlt an Koordination und erkennbarer Strategie - jeder tut nach Kräften, was er allein für richtig hält, aber selten gemeinsam. Dazu kommt noch, dass der neue Bundeskanzler tatsächlich nicht gerade dafür berühmt ist, dass er seine Pläne mit seinem Umfeld ausgiebig bespricht - Alfred Gusenbauers Parteifreunde können davon ein Lied singen.

Dass sich die ÖVP jetzt darüber aufregt, ist aber erstaunlich. Schließlich teilt Gusenbauer die Vorliebe für selbstbewusste Eigenmächtigkeiten durchaus mit seinem Vorgänger Wolfgang Schüssel. Und dass man für sich beansprucht, mit Ideen und Initiativen vorzupreschen, dies dem anderen aber nicht zugestehen will, erinnert schon ein wenig an das beliebte Sandkistenspiel: "Wer hat das größere Schauferl?"

Dahinter stecken freilich nicht nur Anfangsreibereien von Regierungsneulingen, sondern handfeste Vorbehalte gegeneinander, die auf 13 gemeinsamen, zuletzt nur noch quälenden Regierungsjahren fußen. SPÖ-Chef Gusenbauer hat diese letzte, die Klima-Schüssel-Phase, zwar nur am Rande mitbekommen. Sein heutiger Bundesgeschäftsführer Josef Kalina jedoch war, als Klima-Sprecher, ganz vorn mit dabei. Ebenso wie Wilhelm Molterer, Martin Bartenstein und Erwin Pröll. Nicht zuletzt von ihnen und ihrem Willen zur Zusammenarbeit wird es abhängen, ob diese Koalition auf Legislaturperioden-Dauer funktioniert. Das bedarf gründlicher Vergangenheitsbewältigung und gegenseitigen Respekts. Doch danach sieht es im Moment ganz und gar nicht aus. (Petra Stuiber/DER STANDARD, Printausgabe, 12. Februar 2007)