Wenn die RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt am 27. März nach 24 Jahren Haft in Freiheit kommt, dann erwartet sie keine leichte Zeit. Die heute 57-Jährige hat mehr als die Hälfte ihres Lebens im Untergrund oder im Gefängnis verbracht. Das lässt sich nicht einfach abschütteln – wenngleich es viele verlockende Angebote geben wird, sich doch bitte zur Bewältigung des Erlebten auf den TV-Couchen Deutschlands niederzulassen und auszusprechen.

Anders als ihr RAF-Kumpan Christian Klar hat Mohnhaupt nicht auf ein Gnadengesuch beim Bundespräsidenten gesetzt. Sie nimmt nur in Anspruch, was ihr rechtlich zusteht: Vorzeitige Entlassung auf Bewährung nach Verbüßen einer Mindesthaftzeit. Und genau das gewährt ihr der Staat – nicht mehr und nicht weniger. Die Freiheit hat somit für Mohnhaupt, die nie explizit Reue gezeigt hat, vermutlich einen bitteren Beigeschmack. Denn durch die Öffnung der Gefängnistore signalisiert ihr der Staat ganz deutlich: Wir können es uns leisten, milde zu sein. Wir können dich gehen lassen, du bist keine Gefahr mehr für uns. Strukturen, in denen du rückfällig werden könntest, gibt es nicht mehr. Paradoxerweise ist das Ende der Haft somit gleichzeitig auch ein Stück Desillusionierung.

Unter diesen Voraussetzungen hat das Oberlandesgericht Stuttgart gar nicht anders entscheiden können. Müsste Mohnhaupt weiterhin in Haft bleiben, hätte dies allzu sehr nach nicht enden wollender Rache ausgesehen. So aber ist Recht gesprochen worden, das jedoch auf keinen Fall einen Schlussstrich bedeutet. Im Gegenteil: Dieses Jahr gedenkt Deutschland der Toten des „deutschen Herbstes“, jener Menschen, die 1977 durch den Terror der RAF umkamen. Sie sind nicht vergessen, auch wenn der Staat Mohnhaupt gerade die Hand gereicht hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2007)