Franz-Lothar Altmann, Leiter des Forschungs-
schwerpunktes Balkan in der Stiftung Wissenschaft und Politik zur Rolle Russlands: "Zustimmen werden sie dem Plan sicher nicht, aber eine Enthaltung wäre möglich."

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"Die Serben können im Kosovo serbisch bleiben," das müsse auch Belgrad einsehen und deshalb der eingeschränkten Souveränität des Kosovo zustimmen, meint der Balkanforscher Franz-Lothar Altmann im Interview mit derStandard.at. Der Ahtisaari-Plan ist seiner Meinung nach ausgeglichen und fair. Hinter den Demonstrationen am vergangenen Wochenende könnten neben nationalistischen Gruppierungen auch handfeste Interessen bestimmter krimineller "Kreise" stehen.

Sollte Russland sich im UN-Sicherheitsrat gegen eine Unabhängigkeit aussprechen, sieht Altmann eine schwere Zeit für den Balkan kommen. Er hofft auf eine Stimmenthaltung des ständigen Mitglieds des UN-Sicherheitsrats.

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derStandard.at: Wie bewerten Sie die Demonstrationen und Ausschreitungen mit zwei Toten am Wochenende in Pristina? Auftakt für die Verschärfung des Konflikts?

Altmann: Kurti (Anm. Albin Kurti, Chef der nationalistischen kosovo-albanischen Organisation "Vetevendosja") hatte vorher versprochen, dass die Demonstration ruhig ablaufen würden. Das war definitiv ja nicht der Fall. Die Frage ist nun, ob hier aktiv gezündelt wurde. Wenn die Albaner sich den Ahtisaari-Vorschlag genau anschauen, dann werden sie sehen, dass das ein guter Vorschlag ist. Unter diesen Voraussetzungen hat der Vorschlag Chancen, durch den Sicherheitsrat zu kommen. Demonstrationen waren auf Grund der Äußerungen von Herrn Kurti zu erwarten, letzendlich waren mit 3000 Personen ohnehin relativ wenige auf der Straße. Die Frage ist, ob er sich hier nicht auch von bestimmten Kreisen instrumentalisieren ließ.

derStandard.at: Welche Kreise meinen Sie genau?

Altmann: Das können nur nationalistische Kreise sein, die sich keine überwachte Souveränität wünschen, um ihre dunklen Geschäfte weiterhin ohne stärkere Aufsicht von internationaler wie kosovarischer Seite betreiben wollen. Damit meine ich konkret Bereiche wie Drogenhandel oder human trafficking.

derStandard.at: Was erwarten Sie von den Verhandlungen in Wien?

Altmann: Der albanischen Sache waren die Demonstrationen und ihr Folgen natürlich eher abträglich. Dass die Demonstrationen außer Kontrolle gerieten, wird von serbischer Seite bei den Verhandlungen in Wien als Beweis dafür vorgebracht werden, dass das Kosovo nicht mit dem Ahtisaariplan umgehen kann und der kosovarische Polizeiapparat vollkommen überfordert ist.

Serbien hat ja erneut Widerstand gegen eine Unabhängigkeit des Kosovo angekündigt. Auch das Kosovo muss natürlich in Wien Kritikpunkte vorbringen, um den Eindruck zu vermeiden, es lässt sich über den Tisch ziehen. Serbien ist aber im Prinzip klar, dass das Kosovo verloren ist. Es geht ihnen nun darum, innenpolitisch den Eindruck zu vermitteln, dass man das meiste aus den Verhandlungen für die serbischen Interessen raus geholt hat.

Beide Seiten müssten aber einsehen, dass der Plan viel bietet. Einerseits schlägt er eine Souveränität in weitestem Ausmaß für das Kosovo vor und andererseits wird versucht, der Minderheit der Serben viele Sicherheiten zu geben. Die serbische Seite im Kosovo kann zu Serbien weiterhin enge Kontakte halten. Die Serben können im Kosovo serbisch bleiben.

derStandard.at: Dann bleibt nur noch der Stolperstein Russland.

Altmann: Wenn die Russen vorgeben, Unterstützer für die serbischen Belange zu sein, müssen sie auch sehen, dass der Plan für Serbien einiges bereit hält. Zustimmen werden sie dem Plan sicher nicht, aber eine Enthaltung wäre möglich. Es sieht zwar derzeit noch nicht danach aus, noch dazu, da das Verhältnis Russlands mit der USA und der EU derzeit ein gespanntes ist. Ich mache mir hier eher Sorgen, man sollte aber Optimist bleiben.

derStandard.at: Sollten sich die Russen im UN-Sicherheitsrat querlegen ...

Altmann: ... dann haben wir keine UNO-Resolution und da wird es dann schwierig. Lässt man dann die UN-Resolution 1244 weiterlaufen und ersetzt die UNMIK schrittweise durch eine EUMIK? Das wird ein Problem. (Manuela Honsig-Erlenburg/derStandard.at, 13.2.2007)