Salzburg - Am Dienstag wurde ein Kindesentziehungs-Prozess gegen einen ehemaligen Salzburger Mozarteumsprofessor aufgerollt. Der Musiklehrer (53) setzte sich im August 1997 mit seinem damals sechs Jahre alten Sohn Felix nach Brasilien ab. Seine Frau, mit der er einen Scheidungskrieg ausfocht, zeigte ihn wegen Kindesentziehung an. Im ersten Prozess wurde der Mann am 20. Juni 2004 zu einer 3.240 Euro hohen Geldstrafe verurteilt. Das OLG Linz hob das Urteil später aber auf. Am Dienstag wurde das Urteil jedoch bestätigt, der Lehrer muss die Strafe zahlen.

Jahrelang hatte die Mutter um die Herausgabe ihres Sohnes gekämpft. Zu einem Prozess kam es erst 2004. Musikprofessor Günter B. wurde vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen, wegen Kindesentziehung aber verurteilt. Der Verteidiger meldete Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Tatzeitraum verkürzt

Staatsanwalt Thomas Wegleiter hatte den Strafantrag hinsichtlich des Tatzeitraumes modifiziert, und zwar von 1. Dezember 1997 (der Mutter wurde damals die vorläufige Obsorge rechtskräftig zugesprochen) bis zum 10. Februar 2003 - da übertrug das Pflegschaftsgericht die Obsorge dem Vater. In seinem Urteil verkürzte Richter Weis den Tatzeitraum auf das Frühjahr 2000. Er glaube den Angaben des Musikprofessors, wonach dieser damals die "provisorische" Obsorge von einem brasilianischen Gericht erhalten habe, obwohl Günter B. kein Dokument darüber vorlegen konnte.

In seiner Urteilsbegründung führte der Richter aus, dass der Beschuldigte durch "extremen Egoismus" den damals Sechsjährigen aus der Familie gerissen und trotz eines laufenden Obsorge- und Scheidungsverfahren Österreich verlassen habe. "Die Mutter hat nicht gewusst, wo ihr Sohn ist." Erst Mitte 1999 habe die Frau durch eine anonyme Mitteilung eines Anwalts erfahren, dass ihr Kind in Brasilien sei, warf der Richter dem Professor vor.

"Morddrohung"

Günter B. rechtfertigte seine "Flucht" damit, dass ihm seine (mittlerweile geschiedene) Frau "mit Mord" gedroht hätte. "Sie drohte mir auch, die Hände abzuhacken. Ich konnte einfach nicht mehr. Sie hat mich grün und blau geschlagen. Ich hatte einfach Angst, auch um Felix." Der Bub habe bei ihm bleiben wollen, die beiden älteren Töchter wären da schon von der Mutter beeinflusst gewesen.

Doch die 42-jährige Kindesmutter, eine gebürtige Kolumbianerin, bestritt unter Tränen die Angaben ihres Ex-Gatten. Im Affekt seien im Streit unschöne Wörter gefallen, aber bedroht hätte sie ihn nie. "Ich habe meinen Sohn seit 4. Juli 1997 nicht mehr gesehen." Im Herbst 2002 sei sie mit ihren Töchter nach Brasilien gereist - "sie haben sich für ihren Vater extra schön gemacht" - doch zu Gesicht hätten sei weder den Vater noch Felix bekommen. Die Schuldirektorin habe ihnen den Zutritt verweigert. Sie habe auch nie ihre Zustimmung in dem brasilianischen Obsorgeverfahren erteilt, betonte die Zeugin.

Richter: Todesangst "nicht nachvollziehbar"

Der Behauptung des Musikprofessors, er sei aus Angst vor seiner Frau nach Brasilien geflüchtet, schenkte der Richter offensichtlich keinen Glauben. "Er wusste ja von dem Obsorgeverfahren. Er hat hier aber genauso wenig seine Rechte wahrgenommen wie im Scheidungsverfahren." Trotz der angeblichen Bedrohungen habe sich der Professor ja gegen eine Scheidung ausgesprochen - "dass er in Todesangst war, ist daher nicht nachvollziehbar", sagte Weis.

Dass B. letztendlich das Sorgerrecht erhalten habe, sei ein "tragisches Ergebnis" dessen, was B. gemacht habe: Das Kind in einem anderen Land so lange verborgen zu halten, bis ihm die Obsorge faktisch übertragen werde, wetterte Staatsanwalt Wegleiter. Der Beschuldigte sah während der Zeugeneinvernahme übrigens kein einziges Mal in Richtung seiner Ex-Frau. (APA)