Michael Buback: "Sehe keine andere Möglichkeit als die für Frau Mohnhaupt jetzt getroffene Entscheidung zu akzeptieren".

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In der Strafjustizanstalt Aichach verbüßt die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt ihre Haftstrafe. Am 27. März 2007 wird sie entlassen.

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Der Universitätsprofessor Michael Buback ist der Sohn des 1977 von der Roten Armee Fraktion ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback. Wer genau den Abzug der Maschinenpistole damals betätigt hat, ist bis heute nicht bekannt. Sohn Michael, damals 32 Jahre alt, ist einer der wenigen Angehörigen, der für die geplante Freilassung von Brigitte Mohnhaupt Verständnis zeigt.

Im E-Mail-Interview spricht er über die zusätzlichen Belastungen, die auf Angehörige der Opfer durch das mediale Interesse noch zukommen werden, über fehlende Reue der Täter und seine Sorge, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.

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derStandard.at: Sie haben von Beginn an eine weniger ablehnende Meinung als die anderen Angehörigen vertreten, was die Freilassung betrifft. Sind Sie auch jetzt der Ansicht, dass eine Freilassung der ehemaligen RAF-TerroristInnen gerechtfertigt ist?

Buback: Wenn die Gesetzeslage eine Freilassung zulässt und wenn die Gutachter und die zuständigen Stellen keine Risiken erkennen, sehe ich keine andere Möglichkeit als die für Frau Mohnhaupt jetzt getroffene Entscheidung zu akzeptieren, zumal ja auch die Bundesanwaltschaft, also die Behörde, die mein Vater geleitet und für die er mit aller Kraft bis zuletzt gearbeitet hat, für eine Freilassung votiert hat. Das ändert aber nichts daran, dass die Freilassung für mich wie sicher für alle Angehörigen der Opfer eine große Belastung darstellt, wobei auf uns noch weitere Härten zukommen, wenn die Täter von damals, wie es ja zu erwarten ist, in den Medien auftreten werden.

Die Diskussion in den vergangenen Tagen hat allerdings auch gezeigt, dass es ein weit verbreitetes Unbehagen darüber gibt, dass nach geltendem Recht eine Freilassung nach einer Mindestdauer möglich ist, ohne dass die Täter ihren Tatbeitrag eingestehen. Für zukünftige Fälle wäre zu überlegen, ob man die Regelungen nicht in der Weise modifiziert, dass bei besonders schweren Verbrechen im Gegenzug für eine Freilassung nach der Mindestverbüßungsdauer auch ein Mindestmaß an Entgegenkommen von Seiten der Täter erwartet werden darf, das etwa darin bestehen könnte, dass sie sich zumindest klar zur Tat bekennen und äußern.

derStandard.at: Wer genau die Schüsse auf Herrn Generalbundesanwalt Buback abgab, ist noch immer nicht geklärt. Haben Sie die Hoffnung auf eine Klärung der Frage aufgegeben?

Buback: Da die Täter nicht veranlasst werden konnten, diese für mehrere Taten fehlende Information zu liefern, sehe ich kaum eine Chance, noch Antworten auf die für mich und viele andere wichtigen Fragen zu erhalten. Es wäre übrigens ein hoffnungsvolles Zeichen mit Bezug auf die Täter gewesen, wenn sie sich zu ihren Verbrechen bekannt und den jeweiligen Tathergang geschildert hätten. Sie hätten damit ein Zeichen gesetzt, dass sie sich aus ihrer sehr engen Verflechtung in der RAF-Gruppierung etwas gelöst und der Gesellschaft, in der sie als freie Menschen leben wollen, wieder angenähert hätten.

derStandard.at: Viele Kommentare wandten sich in Medien gegen die Freilassung von Mohnhaupt und Klar und kritisieren zum Beispiel, dass die Täter von gestern plötzlich die Stars von heute sind. Halten Sie diese Kritik für gerechtfertigt und wie gehen Sie damit um?

Buback: Wenn es rechtens ist, dass Terroristen nach Verbüßung einer Mindesthaftdauer frei kommen, muss man auch akzeptieren, dass ihnen danach alle Wege offen stehen, sich nach ihren Vorstellungen und in ihrem Sinne zu artikulieren, so bitter dies für die Angehörigen der Opfer, aber nicht nur für diese, sein wird. Ich hoffe, dass die Täter von gestern hierbei nicht zu Stars werden. Das wäre ein bedenkliches Zeichen für unsere Gesellschaft.

Andererseits ist es sicher auch wichtig zu analysieren, wie sich junge Menschen aus durchweg so genannten gutbürgerlichen Elternhäusern so weit von den Wertvorstellungen der Gesellschaft entfernen konnten, dass sie den Staat zutiefst hassten und beschlossen, führende Repräsentanten zu ermorden und dabei ohne Gnade auch die Begleiter, die in gleicher Weise Unschuldige waren, töteten.

derStandard.at: Wie hat der RAF-Terrorismus Ihrer Meinung nach Deutschland geprägt?

Buback: Ich hoffe, dass der RAF-Terrorismus dazu geführt hat, dass die Gesellschaft terroristische Gewalt noch entschlossener ablehnt. Ein Vorgänger meines Vaters im Amt des Generalbundesanwalts, Max Güde, schrieb in seinem Nachruf auf meinen Vater über die RAF-Terroristen, sie seien "die wahren Nachahmer und Nachfolger der braunen Verbrecher".

derStandard.at: Was kann die Politik aus dem Kapitel RAF-Terrorismus lernen?

Buback: Dass man politisch motivierte Gewalt, aus welcher Richtung sie auch immer kommt, sehr ernst nimmt und dass man nicht liederlich wird, indem man Gewalt gegen Sachen als hinnehmbar ansieht und nur Gewalt gegen Personen ablehnt. Wichtig ist das entschlossene, aber dabei das richtige Maß wahrende Vorgehen gegen den Terrorismus.

derStandard.at: Könnte sich die Geschichte Ihrer Meinung in Deutschland nach wiederholen?

Buback: Leider wiederholen sich viele schlimme Dinge immer wieder. Die Gefährdung durch Terrorismus ist ja ohnehin inzwischen allgegenwärtig und kann sich gegen jedermann auswirken. Es werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die nach der Mindestverbüßungsdauer freigelassenen Terroristen sein, die erneut Gewalttaten begehen, aber es kann Nachahmer geben, die der gewaltsame Kampf gegen den Staat fasziniert hat und die vielleicht ihren Vorbildern imponieren wollen. Auch in diesem Sinne wäre es gut gewesen, wenn Terroristen Anzeichen von Reue hätten erkennen lassen, indem sie geäußert hätten, dass ihre Gewalttaten falsch und zu verurteilen waren und sind. (Manuela Honsig-Erlenburg/derStandard.at, 14.2.2007)