Wien - Zum dritten Mal in Serie ist die deutsche Choreografin Constanza Macras nun im Wiener Schauspielhaus zu Gast. Nach Big in Bombay (2005) und MIR - A Love Story (2006) zeigt sie nun ihre jüngste Arbeit I'm not the Only One. Und das in zwei Teilen.
Der erste Teil macht neugierig auf den folgenden. Macras' Thema ist die Unbehaustheit, das Scheitern des Sicheinlebens im Anderswo. Der neurotische Urbanismus ihrer Helden spiegelt sich besonders in dem narrativen Desaster, das die gebürtige Argentinierin in diesem Stück anrichtet.
Virtuos lebt sie einen dramaturgischen Horror Vacui aus, mischt scheinbar planlos Tanz, Schauspiel, Live-Musik, Songs und Videobilder zusammen, kippt das zeitgenössische Theater um die Theaterform auf eine Breitraumbühne ohne Tiefe. Der pathetisch schillernden Floskel von den Brettern, die die Welt bedeuten, wird der Garaus gemacht.
Denn in einer Gesellschaft, die nur danach strebt, eine möglichst gute Performance hinzulegen und Kabarettpolitik als Demokratiespiel duldet, muss das alte Theater folgerichtig über seine Kothurne stolpern.
(Nicht nur) Macras zufolge ist es auch nicht mehr aufzufangen. Da ist es schon interessanter, sich an der Frage abzuarbeiten, wie gut jemand spielen können muss, um so glaubhaft schlecht zu spielen, dass das Schlechtspielen als gut gespielt erkennbar wird. Schließlich sind schlechte Schauspielerei, schlechter Tanz oder schlechte Musik als Norm ein bis heute wirkender Nachlass der hedonistischen Eighties, als hippe Liberale diverser Couleurs sich ins Spektakel verschauten und deren Kulturpolitik glaubte, gut gemeint sei gut gemacht.
In dieses Dilemma greift Constanza Macras ein. Dass der Plan, dem konservativen Spektakel ein progressives entgegenzustellen, an der Normierung des Letzteren gescheitert ist, wissen wir. Dass mit Trash gut Cash zu machen ist, zeigt uns das Fernsehen täglich. Die Choreografin nimmt sich das "progressive" Entertainment zur Brust, kopiert und verzerrt es, lockt ihr Publikum in clever kaschierte Fallen und dehnt formale Verdichtung zur amüsant anmutenden Ödnis.
Pakt mit dem Spektakel
Wenn die Künstlerin bei Big in Bombay noch in ihre eigene Falle getappt ist, hat sie für diese Arbeit mehr Distanz bewahrt. Immer noch sind einige der vielen programmatisch gesetzten Unglaubwürdigkeiten bei I'm the Only One ihrerseits unglaubwürdig.
Aber der Wust an Details, Anspielungen, Zitaten und ineinandergeschobenen Situationen lässt trotzdem ein mephistophelisches Menetekel erkennen: Wer mit dem Spektakel einen Pakt abschließt, verliert seinen Blick. Und das Paktschließen liegt zunehmend in der Verantwortung des Publikums, so wahr ihm Jean Baudrillard ("Lasst euch nicht verführen!") und Roland Barthes ("Der Tod des Autors") bei seiner Entscheidung helfen mögen. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.2.2007)