Bild nicht mehr verfügbar.

Benjamin Raich, Österreichs einziger Mitfavorit im Riesenslalom, scheiterte rasch.

Foto: REUTERS/Stefano Rellandini
Das Niveau, auf dem gejammert wird, sinkt. Wenngleich es immer noch hoch ist, vergleicht man die Erfolge des Skiverbandes mit jenen anderer österreichischer Sportverbände. Schon sagt Günter Amesberger, der die österreichische Skifahrt sportpsychologisch betreut, dass man vorsichtig sein soll damit, von Ergebnissen auf die Leistung zu schließen. Kommen die schlechten Ergebnisse jedoch in geballter Form daher, dürften die Leistungen nicht die allerbesten gewesen sein.

Eine norwegische Untersuchung, erklärt Amesberger, habe gezeigt, dass es im Sport von besonders hohen Spitzen notgedrungen hinab in die Täler führe. Ursache: Die Vorbildwirkung der Erfolgreichen sei zwar groß, sie greife aber vor allem bei Jüngeren, während sie bei jenen, die altersmäßig als nächste an die Reihe kommen würden, eine Erstarrungshaltung auslöse.

Ganz unwissenschaftlich betrachtet, liefert die österreichische Skifahrt einen schlüssigen Beweis für das Ergebnis der Untersuchung. Aus einem tiefen Tal mit regelbestätigenden Ausnahmen in den 80er-Jahren schwang sich der heimische Skisport in den Neunzigern dank professioneller Arbeit des Skiverbandes auf eine Erfolgswelle, die er nun abgeritten ist. Das herausragende Ergebnis passierte im Dezember 1998 auf dem Patscherkofel zu Innsbruck, als Hermann Maier die Spitze eines neunfachen österreichischen Super-G-Triumphs bildete. Die Herren sammelten haufenweise Medaillen bei Großereignissen, dominierten den Weltcup. In der heurigen Saison gab's nur Siege von Michael Walchhofer (zwei Abfahrten), Benjamin Raich (Riesenslalom, Slalom) und Mario Matt (Superkombi).

Das Problem für die Nachdrängenden: Die Besten waren so lange die Besten, dass nur ganz wenige Plätze frei wurden. Sicherlich, Raich ist einer der Besten überhaupt, er gewann im Vorjahr bei Olympia nach zwei Fehlversuchen noch zweimal Gold, und es ist ihm, der in Åre Kombigold um acht Hundertstel verpasste, natürlich noch Slalomgold zuzutrauen. Amesberger: "Wenn einer nicht die erwartete Leistung bringt, wird das Erbringen von guten Leistungen schwieriger." Weil es schwieriger wird, den Kopf von störenden Einflüssen frei zu bekommen.

Amesberger warnt davor, nun Schuldige zu suchen. "Das bringt nichts." Er glaubt auch nicht an trainingstechnische Fehler, und zur Aufstellungsdiskussion sagt er: "Im Nachhinein zu sagen, dass jener gewonnen hätte, der nicht gefahren ist, ist reine Spekulation."

Jahrelang wedelten die anderen Nationen den ÖSV-Erfolgen hinterher, nahezu überall sind in Österreich ausgebildete Skitrainer tätig. Amesberger: "Die Österreicher waren so lange die Gejagten, dass es komisch wäre, hätten die Jäger nicht irgendwann getroffen." Jetzt treffen sie in Åre zum bereits vierten Mal ins Goldene. Der große Hermann Maier (34) gibt seiner Natur gemäß natürlich nicht auf, aber er ist insofern ein gutes Beispiel für die österreichische Sieglosigkeit, als selbst er nicht ewig gewinnen kann. "Es war nur noch der Wille", kommentierte er sein gar nicht überraschendes, deutliches Scheitern beim Versuch, den Riesenslalomtitel erfolgreich zu verteidigen. Und der unbedingte Wille allein ist genauso zu wenig für den Sieg wie das stärkste Wadel der Welt.

Amesberger zu Åre: "Die WM entwickelt einen Sound. Hätte Walchhofer in der Abfahrt seinen Lauf runter gebracht, würde der vielleicht anders klingen." Konjunktiv. Der herrschende Sound wird den Slalom nicht erleichtern. (DER STANDARD, Printausgabe, Donnerstag, 15. Februar 2007, Benno Zelsacher aus Åre)