Ex-Bawag-Chef Helmut "Marcel" Elsner ist also zurück in Wien. Dass er seine Villa im südfranzösischen Mougins, sein ebenso berühmt-berüchtigtes wie von seiner Ehefrau günstigst erstandenes Penthouse auf dem Dach der Wiener Bankzentrale nun mit einer kargen Zelle im Grauen Haus zu Wien (oder mit einem von Polizisten rund um die Uhr bewachten Spitalszimmer) tauschen musste, mag viele diebisch freuen.

Wohl auch jene, die Elsner in dessen Aktivzeit freundlichst grüßten, obwohl längst stadtbekannt war, dass der scheinrote Gewerkschaftsbanker alles andere denn ein Sympathieträger ist. Zu Zeiten, als der gefürchtete Bawag-General publikumswirksam in Maßanzug und genagelten Schuhen, Hund an der Leine, Zigarre im Mund, über den Wiener Kohlmarkt zu stolzieren pflegte. Damals war die Bawag noch der Esel-Streck-Dich ihres Eigentümers, des ÖGB. Damals ging alles rein.

Heute, kaum vier Jahre nach der sündteuren Pensionierung des Bankers, schaut alles anders aus. Die Fakten sind sattsam bekannt: Die Bank hat unter Elsner und seinem Nachfolger Milliarden in karibischen Spekulationsgeschäften versemmelt, war 2000 fast pleite, der ÖGB übernahm heimlich Haftungen. Aufsichtsrat, Aufsicht, Notenbank, Finanzministerium: Niemand hat etwas bemerkt. Zumal ja auch niemand ernsthaft etwas gefragt hat.

Höchste Eisenbahn, dass die Justiz wieder Aktivität gezeigt und die Heimholung Elsners zustande gebracht hat. Der hatte seinen Herzenszustand als Grenzbalken gegen die Auslieferung verwendet, den zwangsweisen Transport nach Wien nun zum Glück aber gut überstanden.

Endlich besteht zumindest die theoretische Chance, dass Elsner im Strafprozess gesprächig wird. Zwar sagt sein Anwalt, niemand (bis auf Wolfgang Flöttl, der laut Elsner die vielen Milliarden in der Karibik auftragswidrig versenkt habe) müsse sich vor Elsners Aussagen fürchten. Selbst wenn das stimmt, selbst wenn glamouröse Seitenstränge der Causa, in denen interessante Geschäftsleute wie ein Martin Schlaff, ein Ex-ÖVP-Obmann und Unternehmer Josef Taus, ein Ex-Länderbanker Herbert Cordt vorkommen, keine Rolle in dem Krimi spielten, selbst dann werden Elsners Aussagen spannend.

Allein dass er schildern wird (müssen), wie was warum entschieden und beinhart durchgezogen wurde. Wie die wenigen Fragen der Aufsichtsräte abgeschmettert, wie in der Bank, in der Schweigen Gold war, selbiges in geheimen (aber immerhin protokollierten, manchmal sogar doppelt) Vorstandssitzungen verordnet wurde, wird Licht ins bisher nachtschwarze Biotop Bawag bringen.

Elsner (für den die Unschuldsvermutung gilt) wird sich darauf berufen, aus der Bank ein blühendes Unternehmen gemacht zu haben - in dem Bankenaufsicht und Notenbank, dieser Logik folgend, ja gar nichts Übles finden konnten. Es wurde zwar 2001 kiloweise belastendes Material zutage gefördert, selbiges ist aber in den Schreibtischladen des Finanzministeriums verstaubt. Nachgefragt, was aus dem Befund geworden ist, der jedes Milchmädchen alarmiert hätte, hat niemand.

Spätestens an diesem Punkt wurde aus dem Infarkt der Bawag ein Multiorganversagen österreichischen Zuschnitts. Denn nicht nur die Bawag-Eignerin Gewerkschaft hat bloß (Augen zu) weggeschaut, sondern auch Mitaktionärin Bayerische Landesbank. Über ihre Rolle wird im Prozess wohl zu reden sein. Und dann wäre da noch die Rolle der Republik Österreich, die der Bawag in ihrem Fast-Todesjahr 2000 ihre Postsparkasse samt FünfMilliarden-Euro-Haftung verkauft hat - ohne die Bonität der Käuferin zu prüfen.

Und weil das alles offenbar nicht genug ist, bekleckerte sich nun auch noch die Justiz. Ohne Not hat die neue Justizministerin von politischem Druck gesprochen, der die Heimschaffung Elsners beschleunigt habe. Unter solch rechtsstaatlich fragwürdigen Vorzeichen muss man dem Staatsbürger Helmut Elsner für sein Gerichtsverfahren eines wünschen: viel Glück. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.2.2007)