Foto: Fat Cat
Dass hier als Grundlage großer Kunst wieder einmal ein schon während der Kindheit angelegter religiöser Huscher dient, erschließt sich spätestens beim dritten Song, "Jesus And The Devil". In diesem Song ist sich David Karsten Daniels nicht ganz sicher, wem er auf seinem weiteren Lebensweg folgen soll. Immerhin würden beide Seiten der Medaille als Kopf wie Zahl durchgehen und also gleich ausschauen. Beim Versuch, ein guter Mensch zu werden, seien immerhin auch die wortreichen Verlockungen der beiden vom Mehrwert her nahezu identisch. Die vom Blues her berühmte Kreuzung mit rechts und mit links - und dem Schnaps und den Weibern und Zeugs dazwischen. Kennen wir. Kaufen wir seit Country-Blues-Gottvater Robert Johnson immer wieder. Muss ja.

Aber es muss uns jetzt auch nicht weiter bekümmern, woher der aus dem US-Bible-Belt kommende Songwriter David Karsten Daniels das Vokabular für die Verarbeitung seiner Lebenstraumata hernimmt. Immerhin sang schon US-Country-Folk-Gott Will Oldham alias Bonnie Prince Billy einst mit den Palace Brothers davon, dass gerade seine irdischen Sendboten, sprich: Prediger in der Kanzel, nicht vor Anfeindungen wie Teufelswasser und dem Duft der Frauen gefeit wären. Sprich: betrunken im Dienst.

Nach drei im Heimwerkerverfahren mit Vierspur-Tonbandmaschine und dem Garage-Programm auf dem Laptop hergestellten Alben rüstet sich der junge Herr Daniels mit dem alten Bart nun mit vier Hand voll, unter anderem bei den neuzeitlichen, vom Punk kommenden Les Humphries Singers, dem wunderbaren Chor The Polyphonic Spree, geborgten Musikern für eine symphonische wie dem Leben und seinen Versuchungen abgerungene Großtat. Der erwähnte Will Oldham mag zwar als zwangsläufiger Vergleich auch dank der Nähe von Daniels' brüchiger Stimme zum großen Altvorderen erfolgen. Mit diesen pastoralen Klageliedern eines Mannes, der damit Gott, Teufel, Schnaps und Frauen als Full House auf den Tisch knallt, lugt Daniel Karsten Daniels allerdings auch hin zu ganz eigenen Erfahrungshorizonten.

Bevor am Ende das optimistisch angelegte Selbstversicherungs-Mantra "Give up ... and you are changed!" erklingt, führt uns der Mann mit seiner Gitarre über den Heiligen Gral von Nashville, Tennessee, schließlich auch noch mit LSD-befeuerten Streichern und einem mehr beherzt als professionell aufgelegten Bläsersatz zu den mit Lucys Diamanten behübschten Weiden von Penny Lane. Dort geht er mit den ursprünglich auf Frank Herberts Wüstenplanet eingeschulten Flaming Lips auf chemisch ermöglichte Raum-Zeit-Reise, sagt den auf dem grünen, grünen Gras der Heimat vor dem eigenen Haus weidenden Tieren Grüß Gott und alles Gute - um dann aber um sechs Uhr abends eh wieder rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein. Wenn der Blutzuckerspiegel fällt, bekommt man es leider am ehesten mit Visionen zu tun: "I saw Jesus walking on the water. But it's hard to be sure."

Agonie, Herzschmerz und dazu der wunderhübsche und unübersetzbare Begriff "Bewilderment": David Karsten Daniels beobachtet sein Leben mit trunkenem Herzen und dem Feuer der Jugend. Das mag zwar musikalisch im besten Sinne alt klingen. Die dem Alter gewöhnlich unterstellte analytische Kälte mag dann aber noch ein wenig zuwarten. Für Freunde von Will Oldham, Sufjan Stevens oder Eliott Smith geht auf Sharp Teeth im Beichtstuhl die Sonne auf. Darüber grölt der Pfarrer irgendetwas von rein und ehrlich. Kann er haben. Muss er hören. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.2.2007)