Wien/London - In Großbritannien ist das große China-Fieber ausgebrochen: Die großen englischen Tageszeitungen vermitteln Schnellkenntnisse in Mandarin, das nun auch schon in den Schulen unterrichtet werden soll. Nun wird auch die renommierte britische Wissenschaftszeitschrift "Nature" mit einer eigenen China-Ausgabe im Netz beginnen, wie die Nature-Herausgeber am Donnerstag bekannt gaben.

Die Kernidee von www.naturechina.com besteht darin, die wichtigsten Forschungsergebnisse von Wissenschaftern in China und Hongkong zu veröffentlichen. Und von diesen wichtigen Artikeln gibt es immer mehr: Allein in den vergangenen zehn Jahren stieg der Output chinesischer Wissenschafter von 10.000 Veröffentlichungen pro Jahr auf über 80.000. Damit bewegt sich China in der Zwischenzeit auf Augenhöhe mit Großbritannien und Japan.

Noch stärker als die absolute Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen aus dem Reich der Mitte ist die der qualitativ hochwertiger Artikel (mit zwanzig Zitierungen und mehr) gestiegen: nämlich um etwas mehr als das Zehnfache.

Forschungsboom

Auch andere Zahlen belegen den chinesischen Wissenschaftsboom in China: So stiegen die Forschungsaufwendungen seit Jahren um zwanzig Prozent jährlich. Ernst-Ludwig Winnacker, bis zum Vorjahr Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der mächtigsten nationalen Forschungsorganisation Europas, erinnert sich auf Standard-Nachfrage daran, wie die Chinesen vor zehn Jahren die DFG-Satzungen übersetzt haben. "Heute haben sie eine National Science Foundation mit einem Budget von zwei Milliarden Euro, also dem Budget der DFG."

In einem weltweiten Forschungsranking des Londoner "Times Higher Education Supplement" schafften es immerhin bereits sieben chinesische Universitäten unter die Top hundert, drei davon in Hongkong. Die auf Rang 15 bestplatzierte Universität Peking lag dabei deutlich vor den besten deutschsprachigen Hochschulen.

Die chinesischen Unis können sich ihre Studierenden großzügig aussuchen: Jährlich acht Millionen junge Chinesen nehmen an den Aufnahmetests teil, zugelassen wird nur jeder achte. Mehr als 250.000 Ingenieure bekommen jährlich ihr Diplom. Steigend ist allerdings auch die Zahl jener Forscher, die auswandert.

Wenn nun europäische Forschungspolitiker und Forscher (wie unlängst Anton Zeilinger im Standard) einmütig vor der Gefahr warnen, gegenüber China ins Hintertreffen zu geraten, steckt dahinter natürlich auch Eigeninteresse: Als beste Antwort auf die Bedrohung aus dem Osten drängen sich höhere staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung auf. Und womöglich eine andere Zulassungspolitik an den Unis. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.2.2007)