Die Republik verpasst sich in diesen Tagen ein ihrem Zustand entsprechendes Motto: Es gilt die Unschuldsvermutung! Und damit hat es hierzulande folgende Bewandtnis: Wann immer gegen den oder jenen ein schwerer Verdacht laut oder eine Anzeige vorbereitet wird, wenn die Anzeige erstattet ist oder der Prozess schon läuft, wenn sich also dicke Wolken der Schuldsvermutung über einer Person zusammenballen, dann gipfelt die Beschreibung dieses Zustandes in der Formel, mit der das offen zutage liegende Faktum eines dringenden Verdachtes irgendwie mit der Norm unseres Rechtswesens in Übereinstimmung gebracht werden soll, dass jedermann unschuldig ist, solange vor einem Gericht nicht das Gegenteil erwiesen und eine Verurteilung ausgesprochen ist.

So bedeutet die Floskel, es gilt die Unschuldsvermutung, ihr genaues Gegenteil und dient neben einer Suche nach augenzwinkerndem Einverständnis mit einem eh schon wissenden Publikum nur dem Schutz dessen, der sie gebraucht, vor Klagen eines bis dahin Unschuldigen. Es dürfte auch kaum auf ein nicht mehr zu beherrschendes Maß an UV zurückzuführen sein, dass dieser Tage ein - noch immer unschuldiger - Bankdirektor von Foie gras und Bouillabaisse auf Bröselnudeln und Kochsalat mit Erbsen gesetzt wurde, sondern auf eine appetitzügelnde Portion an behördlicher Schuldsvermutung.

Welche Vermutung mag nun den Bundeskanzler geleitet haben, als er der Nation versprach, der Eurofighter-Vertrag wäre "obsolet", also hinfällig, wenn aus den 6,6 Millionen Euro, die im Rahmen des Handels an die Agentur Gernot Rumpolds geflossen sind, auch "nur ein einziger Euro an das BZÖ" weitergespült wurde. Na ja, wieder ein Versprechen, könnte man sagen, aber was interessant ist: Trieb den Kanzler dazu eine Schulds- oder eine Unschuldsvermutung? Vielleicht hilft es weiter, wenn wir, um die Entscheidung zu erleichtern, den neutralen Begriff Zumutung einführen. Denn dieser "einzige Euro", an dem der künftige Schutz des österreichischen Luftraums hängt, konnte im parlamentarischen Untersuchungsausschuss noch nicht dingfest gemacht werden, aber was bisher über den Stil zutage gefördert wurde, in dem die vorige Regierung über Ausgaben in Milliardenhöhe entschied, ist schwerlich anders denn als Zumutung zu bezeichnen.

Der zuständige Verteidigungsminister Scheibner wollte den Saab Gripen, Mister Nulldefizit wollte den billigen F 16, und der Bundeskanzler wollte eigentlich nur zwischen den beiden eine Einigung herbeiführen, worauf man sich auf das Teuerste, den Eurofighter einigte. Die Frage, ob da alle ehrlich gespielt haben, ließe sich bisher nur mit dem Hinweis auf die Unschuldsvermutung beantworten, auch deshalb, weil der Finanzminister ein Freund und Taufpate der Tochter jenes Magna-Spitzenmanagers ist, der bei ihm für den Eurofighter interveniert hat.

Was den alles entscheidenden einzigen Euro aus den 6,6 Millionen an Rumpolds Agentur betrifft, lässt sich eine leichte Schuldsvermutung zurzeit nur schwer unterdrücken, könnte er doch unter den gut vier Millionen in Verstoß geraten sein, die übrig bleiben, wenn für die Eurofighter-Werbung unter dem Titel "Susi-Sorglos-Paket" nur rund zwei Millionen ausgegeben wurden.

Susi bestreitet jede Sorglosigkeit. Wohin also sind die vier Millionen geflossen? Vor allem: Wozu und bei wem bedarf es extra eines Werbefeldzuges, wenn eine Regierung nur der hoheitlichen Aufgabe der Überwachung des Luftraums optimal nachkommen will? Schulds- und Unschuldsvermutung? Auf jeden Fall eine Zumutung. (Günter Traxler, DER STANDARD, Print, 16.2.2007)