Hannibal Rising, das Prequel zur Erfolgsserie, untrennbar mit der Darstellung von Sir Anthony Hopkins verbunden, gibt darauf jetzt Antworten. Bloß: Wen interessieren sie eigentlich? Und: Lebt ein Bösewicht wie Lecter nicht gerade von der Unerklärlichkeit, von eben genau dem Maß an Wahnsinn, den noch kein so gefinkeltes Trauma befriedigend erklären kann?
Thomas Harris, Erfinder Lecters und nun auch Autor des Drehbuchs, denkt da offenbar anders und wählt die Gräuel des Zweiten Weltkriegs als Ausgangspunkt seines Psychogramms. Hannibal muss als kleiner Junge zunächst miterleben, wie seine Eltern im Bombenhagel sterben. Mit seiner jüngeren Schwester Mischa verschanzt er sich im Familienhaus, das bald darauf von litauischen NS-Kollaborateuren in Beschlag genommen wird. Es ist kalt, es gibt nichts zu essen. Mischa erkrankt und wird mit dem Hackebeil ins Freie geführt - und der zentrale Präzedenzfall für Lecters späterere Essgewohnheiten ist gekommen.
In dieser groben Art, eine Figur mithilfe eines szenischen Baukastens entwerfend, geht es weiter. Wobei der jugendliche Lecter von Gaspard Ulliel gespielt wird, der wie ein Schauspielschuleleve mit Hopkins-Spleen agiert: das Kinn nach unten, die Augen dämonisch nach oben gerichtet, jedes Wort nach seinem Klang abschmeckend und dann doch seltsam unverdaut wieder ausspuckend.
Rache eines Samurais
Lecter redet aber ohnehin nicht viel, sondern studiert, nach erfolgreicher Samuraischulung bei japanischer Tante (Gong Li), Medizin. Mit der Präzision eines Chirurgen verfolgt er dann sein eigentliches Ziel: Rache. Einen Peiniger nach dem anderen stöbert er auf, noch ohne seine Taten so genießen zu können wie dann im Alter. Wobei Peter Webbers unauffällige Regie just in diesen Momenten zu rigoros blutrünstigen Details neigt - und den Sadismus weidlich ausschlachtet.