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Solar- und Fotovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden sollen Vorbildwirkung haben, dass die Bevölkerung im Klimaschutz nachzieht.

Foto: REUTERS/Vincent Kessler
Wien - "Die Gesellschaft rast auf die Mauer zu und denkt sich: wir haben ja noch 50 Meter" sagte die Wissenschafterin Helga Kromp-Kolb zum Thema Klimawandel. Was sie für nötig hält ist: "vorzeitig bremsen".

Eine Art der Bremse hat das Gymnasium in der Laaer-BergStraße in Wien-Favoriten eingesetzt, um umweltbewusst Energie gewinnen zu können: Es befindet sich seit 1998 eine Solaranlage auf dem Dach. Bloß nimmt ein nebenan gebautes Hochhaus den Solarzellen das nötige Sonnenlicht weg. Was tun, fragte Esther Plattner, Schülerin des Gymnasiums Umweltminister Josef Pröll (ÖVP), dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig (Grüne) und die Wissenschafterin Kromp-Kolb am Freitag bei einer Schülerdiskussion im Parlament.

Ab dem Jahr 2015 sollen ausschließlich Niedrig- oder Passivenergie-Neubauten Österreichs Landschaften zieren, formulierte Pröll ein Ziel, dem Klimawandel entgegenzuwirken. 2015, eine Jahreszahl, die Eva Glawischnig "wahnsinnig macht". "Wenn ich 2015 höre, kriege ich einen Anfall. Wir haben keine Zeit", sagte sie. Seit 1992 sei international klar, dass der Klimawandel stattfindet. Mit den Maßnahmen müsse jetzt begonnen werden.

Zeitproblem

Das Zeitproblem sieht auch die Wissenschafterin des Jahres 2005, Helga Kromp-Kolb: Als Einzelner könne man auch etwas bewirken und das dürfe man nicht übersehen "doch es dauert, bis die große Bewegung alle erfasst". Angesichts dessen, dass sich die Anzahl der Skigebiete in den kommenden Jahrzehnten "deutlich reduzieren" werde, fragt sie, "was ist uns der Spaß wert, in Bezug dazu, was der Klimawandel bringt?". Seit 1985 warne die Wissenschaft vor dem Klimawandel und bis jetzt musste sie nichts zurücknehmen. Diejenigen, die an dem Klimawandel zweifeln, könne man an einer Hand abzählen. Faktum für Kromp-Kolb ist, dass der Wandel schneller voranschreitet, "als befürchtet". Maßnahmen, die man vorbeugend setze, machen kostenmäßig nur fünf Prozent von dem aus, das man zur Schadensbegrenzung aufbringen müsse, weist die Wissenschafterin auf die Sinnhaftigkeit von Klimaschutz hin. Auch wenn man bis 2010 die Kyoto-Bestimmungen, 13 Prozent der Treibhausgase zu reduzieren, erfülle oder übertreffe, wäre man trotzdem weit vom Notwendigen entfernt.

Vier Milliarden Euro Strafe müsse laut Prognosen der Staat zahlen, wenn die Kyoto-Bestimmungen nicht erfüllt würden, warnte Glawischnig. Pröll entgegnete, er denke nicht an die Strafe, sondern an die Zielerreichung. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sagte anlässlich des Jahrestages des Inkrafttretens des Kyoto-Protokolles, es bedürfe "tieferer Einschnitte" als die Reduktion des Treibhausgasausstoßes. Die Schüler, die das Abgeordneten-Sprechzimmer zur Gänze gefüllt hatten, lieferten mit ihren kritischen Fragen auch einige Ideen. So schlug eine Schülerin vor, im Wahlkampf die Anzahl der Plakate zu reduzieren und das Geld in Informationskampagnen für Klimaschutz zu investieren. Eine andere forderte verstärkten Ausbau des öffentlichen Verkehrs und zur Vorbildwirkung Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden.

Seitens Esther Plattners Gymnasium hagelt es Beschwerden an Stadtämter, die gegen den Bau des lichtraubenden Hauses nichts unternommen hatten. Kromp-Kolb sieht den Fall als ein "typisches Beispiel" dafür, dass zu viele Hindernisse im Weg liegen, Klimaschutz-Maßnahmen zu setzen. Es sei aber wichtig, dass man kämpfe. Wohl in Anspielung auf die Extremwetterereignisse des heurigen Winters meinte Pröll: "Wir haben so viel Rückenwind wie nie zuvor," Maßnahmen umzusetzen. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.2.2007)