Innsbruck - Die ersten Auswirkungen der kontinuierlichen Klimaerwärmung werden an der alpinen Vegetation bereits sichtbar: Wie eine neue Untersuchung des Institutes für Botanik der Universität Innsbruck zeigt, dringen Waldbäume, Waldgrenzarten und Arten der montanen Stufe in höhere Lagen vor. Kleinwüchsige alpine Pflanzen werden dadurch verdrängt.

Im Rahmen des EU-Projektes Gloria (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments; Anm.) wurden im Jahr 2001 vier Dolomitengipfel in der Region Trentino-Südtirol untersucht. Im Sommer 2006, also nach fünf Jahren, wurden die Aufnahmen wiederholt. Der Anteil der neuen Pflanzenarten auf den höchsten Gipfeln (2.757 Meter Höhe bzw. 2.893 Meter) liegt bei zehn bzw. neun Prozent. Der Neuzugang auf den niedrigen Gipfeln (2.463 Meter bzw. 2.199 Meter) war mit drei bzw. einem Prozent hingegen wesentlich geringer.

Annahmen

"Ursprünglich haben wir mit einer höheren Anzahl von Neuankömmlingen vor allem auf dem niedrigsten Gipfel gerechnet. Aber es ist offensichtlich so, dass dort wohl nahezu alle Nischen besetzt sind, und neue Arten kaum mehr Wuchsmöglichkeiten finden", erläuterte Prof. Brigitta Erschbamer, die Leiterin des Projektes, am Freitag in einer Aussendung. Bei den Neuankömmlingen handelt es sich, abgesehen von jenen auf dem höchsten Gipfel, um Pflanzen aus der montanen und subalpinen Stufe. "Pflanzen, die bisher unterhalb der aktuellen Waldgrenze vorgekommen sind, wandern nach oben und verdrängen die alpinen Pflanzenarten", führte die Südtiroler Botanikerin aus.

Als Neuankömmlinge in der oberen alpinen Stufe (2.757 Meter) sind vor allem Lärche, Zwergwacholder, Frauenmantel und Gewöhnliches Leimkraut zu erwähnen. Auf dem höchsten Gipfel kamen Arten der alpinen und nivalen Stufe dazu, wie beispielsweise Einkopf-Berufskraut, Dolomiten-Teufelskralle oder Zwerg-Baldrian.

Drohender Artenverlust

Am niedrigsten Gipfel konnte bereits im relativ kurzen Zeitraum von fünf Jahren ein deutlicher Anstieg an Jungbäumen (zum Beispiel Lärche und Zirbe) sowie an konkurrenzkräftigen, hochwüchsigen Gräsern (beispielsweise Bunt-Reitgras, Bunt-Schwingel) und Zwergsträuchern (Preiselbeere) beobachtet werden. "Wenn diese Entwicklung in den nächsten Jahren gleichläufig anhält, so ist vor allem auf diesem sehr artenreichen Gipfel - 159 Pflanzenarten in den obersten zehn Höhenmetern - mit einem starken Artenverlust zu rechnen, da eine Beschattung durch die Jungbäume von den angestammten, lichtbedürftigen alpinen Pflanzenarten nicht vertragen wird", erklärte die Forscherin. Auf den höheren Gipfeln könne jedoch mit einer weiteren Zunahme der Artenzahlen gerechnet werden, da hier die Flächen noch sehr lückenhaft seien, und die Konkurrenz zwischen den Arten noch keine so große Rolle spielen dürfte wie am niedrigsten Gipfel.

Die von der Abteilung Forstwirtschaft der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und dem Tiroler Wissenschaftsfonds finanzierte Untersuchung ist als Langzeitprojekt angelegt. (APA)