"In der Hölle", eine Sammlung von drei literarischen Reportagen des US-Schriftstellers Denis Johnson ("Jesus' Son", "Engel"), wird auf vergleichbare Weise von Fragen der Darstellung bestimmt. Wenngleich anfangs noch weniger offensichtlich: "Bürgerkrieg in der Hölle", Johnsons erster Trip nach Liberia für das Magazin Esquire, fand im Jahr 1990 statt, zu einer Zeit, als in dem westafrikanischen Land ein unsagbar grausamer Krieg zwischen zwei Rebellenführern, Charles Taylor und Prince Johnson, tobte - von der Weltpresse weit gehend ignoriert. Denis Johnson hält sich in diesem ersten Text noch merkbar an die Konventionen des Reportageformats: Subjektive Beobachtungen werden in einen politischen Zusammenhang eingebettet, der Berichterstatter tritt als Person nicht weiter in Erscheinung - es dominiert ein beschreibender Gestus, der freilich schon sein Mühe hat, den Irrwitz des Geschehens zu bannen: "Insofern jedoch die Gräuel dieses Krieges durch die Fäden des Aberglaubens mit gewissen dunklen Mächten verknüpft waren, bekamen sie etwas Unergründliches und umso Grausigeres."
Johnson sucht sich seinen Pfad durch dieses Szenario der Verwüstung, indem er Bild um Bild anhäuft, um schließlich - analog zu Joseph Conrads "Herz der Finsternis" - in eines der Wirkzentren vorzudringen. Gemeinsam mit einigen anderen Journalisten nimmt er an einem Besuch bei Prince Johnson teil, dessen Auftritt angesichts des Elends wie ein böser Scherz erscheinen muss. Bei der Ankunft spielt er eines seiner "Morgenkonzerte", eine Creole-Reggae-Version des 137. Psalms, "Sie sind gut. Sie könnten sich ohne Weiteres in einem Nachtklub in Los Angeles ihre Brötchen verdienen", bemerkt Denis Johnson lakonisch. Anschließend wird ein Video vorgeführt, in dem der ehemalige Präsident Liberias, Samuel K. Doe, "verhört" wird. Mit unverhohlenem Stolz verkündet Prince Johnson, dass er ihm beide Ohren abschneiden ließ und ihm befahl, sie zu essen. Die Reportage endet in einem seltsam ratlos wirkenden medienkritischen Befund: "Wo liegt Liberia? Kümmert es da draußen irgendwen?" Fast scheint es so, als wüsste Johnson mit seiner Zeugenschaft wenig anzufangen.
Antworten dazu finden sich im dritten Text von "In der Hölle" (der mittlere, "Ein Anarchisten-Führer durch Somalia", beschreibt eine drogenumwölkte Reise nach Mogadischu kurz vor dem Abzug der UN-Truppen nach der Invasion von 1992). Die Kindergarde erzählt von Johnsons zweiter Reise nach Liberia, diesmal in Auftrag des New Yorker, mit dem Ziel, den nunmehrigen Präsidenten Charles Taylor zu porträtieren. "Gelingt es dem Helden nicht, aus der Höhle des Löwen etwas mitzubringen, ist er dazu verdammt, das ganze Abenteuer noch einmal durchzuleben", zitiert er Christopher Vogler und geht die Sache ungleich persönlicher als beim Erstbesuch an. Diesmal schreibt Johnson in der ersten Person - und entwirft den hindernisreichen Versuch einer Annäherung, der vor allem von einem Zustand geprägt wird: dem Warten.