
3,4 Millionen SpielerInnen
Second Life ist das derzeit erfolgreichste digitale 3-D-Spiel, ein Massively Multiplayer Game, an dem etwa 3,4 Millionen Spieler via Internet teilhaben. Die Bevölkerung von Second Life wuchs in den vergangenen drei Monaten sprunghaft. Erst Mitte Oktober 2006 hatte "Linden Lab" den millionsten Teilnehmer begrüßt.
2003 gegründet
Ein Spiel ist die 2003 von Philip Rosedale gegründete Internetwelt allerdings nur bedingt. Es gibt weder explizite Spielregeln noch ein klares Spielziel. Second Life ist eher eine Bühne oder Plattform. Von Linden Lab werden Landschaften zur Verfügung gestellt, der Rest ist Sache der Bewohner: Sie bauen Häuser, unterhalten sich miteinander, eröffnen Galerien oder Sexshops, halten Vorlesungen, fliegen durch die Luft oder betreiben politische Propaganda.
Demonstrationen
Der erste Bericht über die Demonstrationen wurde ursprünglich von der Redaktion von The AvaStar publiziert, einem Wochenmagazin, das ausschließlich in Second Life erscheint. Danach griff die Meldung von der virtuellen in die reale Welt über und gelangte von dort wieder um einiges verstärkt in die Gemeinschaft der Bewohner der Spielwelt zurück.
The AvaStar
The AvaStar gehört zu den über tausend kommerziellen Unternehmen, die in Second Life versuchen, mit der Irrealität des Spiels ein reales Geschäft zu machen. Das Redaktionsgebäude, wenn man es so nennen kann, schwebt über einer eigenen Insel und besteht aus drei gigantischen Kugeln. In der Lobby stehen auf riesenhaften Bannern die einzelnen Seiten der aktuellen Ausgabe.
Berichte und Events
Berichtet wird über aktuelle Events, über Probleme des Urheberrechts, aber auch über Umweltverschmutzung durch Campieren auf fremden Grundstücken. Durch Anklicken könnte ich ein Abonnement erwerben, doch ich entschließe mich, die transparente Konstruktion aus Glas und Stahl zuerst zu umfliegen. Problemlos durchquere ich einen massiven Stahlträger und lande nach kurzem Flug mit ausgebreiteten Armen am Strand eines sanft plätschernden Meers.
Premium-UserIn
Wer z. B.eine Insel erwerben will, muss zunächst ein so genannter Premium-User werden. Die Gebühr kostet zehn US-Dollar pro Monat. Für eine 65.000 Quadratmeter große Insel sind rund 1700 US-Dollar an den Betreiber zu überweisen, pro Monat kommen weitere 295 Dollar als eine Art kybernetischer Grundsteuer hinzu. Rund 3000 solcher Inseln hat Linden Lab bereits verkauft, die große Mehrzahl der Bewohner von Second Life begnügt sich allerdings mit weit kleineren Grundstücken oder zieht vagabundierend durchs Land.
Dialog
Karl-Heinz: "Hallo!"
KhalifS: "Hallo! Sind Sie schon lange da?"
Karl-Heinz: "Zwei Wochen. Du?"
KhalifS: "Ich bin ganz neu.
Warum sind Sie da?"
Karl-Heinz: "??"
KhalifS: "Warum sind Sie da?"
Karl-Heinz: "Na, weils echt geil is hier.
Magst du Metal?"
Das zwölfte seiner Art
Ich beende das Gespräch - das zwölfte seiner Art in der vergangenen Stunde - grußlos. Karl-Heinz bleibt unbeweglich stehen. In diesem Teil von San Francisco wird häufig deutsch gesprochen. Ich gehe ein Stück, drehe mich und betrachte die synthetische Stadt. Nach und nach tauchen Häuserzeilen und Bewohner aus einem kybernetischen Nebel auf, ich befinde mich auf einem kleinen Platz mit Jongleuren. Claire zum Beispiel trägt einen überdimensionierten Joint vor dem Gesicht, dreht Pirouetten und unterhält sich mit Zisko, einem steinzeitlichen Zwerg mit Keule.
Durch die Stadt
Ich würde gerne eines der Cablecars nehmen, um durch die Stadt zu fahren, aber ich befürchte, ich werde mir das nicht leisten können. Ich bin nur im Besitz eines einzigen Linden-Dollars, den ich im Casino durch Table Dancing verdient habe. Linden Dollars (LD) sind das Zahlungsmittel in Second Life, 270 LD entsprechen etwa einem US-Dollar, der Wechselkurs schwankt. Um Geld, lerne ich rasch, dreht sich viel auch in dieser Welt, wenn auch nicht alles.
Die Erschaffung seiner selbst
Eine der ersten Pflichten eines Neuankömmlings ist die Erschaffung seiner selbst, das Kreieren eines "Avatars", einer Spielfigur, die man selbst ist und auch wieder nicht. Das Geschlecht muss bestimmt, ein Vorname ausgedacht werden (der Nachname wird aus einer Liste gewählt). Danach wird aus dutzenden Bestandteilen Kleidung und Aussehen des Avatars hergestellt. Die Appearance, weiß auch die ältere, bereits jugendlich ermüdete Generation der User, ist wichtig für die Performance. Nur was bedeutet hier Performance?
Initiation
Pro Tag durchlaufen rund 15.000 Immigranten das Prozedere der Initiation. Derzeit stellen die Europäer mit 54 Prozent das Gros der Bevölkerung. 34 Prozent der Bewohner kommen aus den USA. Der Altersschnitt beträgt 33 Jahre, nur zehn Prozent sind nach Selbstangabe älter als 45 Jahre. Ein Pensionsproblem kennt die jugendliche Welt von Second Life nicht: Der Avatar ist keinem Alterungsprozess unterworfen, auch Selbstmord ist ausgeschlossen. Lebensgefährlich für das ludische Alter Ego ist allein seine Stilllegung durch Langeweile.
Gehen, sitzen und greifen
Mein Avatar kann gehen, sitzen und greifen, doch verfüge ich auch über einige zaubrische Fähigkeiten, denn die Naturgesetze wurden von den Schöpfern von Second Life angenehm weitläufig interpretiert: Ich kann bis zu 250 Meter hoch fliegen, eine Bruchlandung schadet nicht, außerdem verfüge ich über die Möglichkeit der Teleportation. Man beamt sich von Ort zu Ort, was in den wildwuchernden Stadtlandschaften des Metaversums auch notwendig ist. Einblendbare Karten helfen bei der Orientierung, eine Palette gibt Auskunft über aktuelle Events, mögliche Gesprächspartner und so genannte "popular places".
Dem Sex gewidmet
Auch wenn die Fortpflanzungsfähigkeit des Avatars von den programmbestimmenden Göttern nicht berücksichtigt wurde, so sind von den zehn meistbesuchten Orten in Second Life neun dem Sex gewidmet. Der "Club Sin", der von 133.000 Besucher frequentiert wurde, ist kurzfristig wegen Überfüllung geschlossen. Auf den kostenfreien FKK-Stränden tummeln und verklumpen sich - schriftlich laut keuchend - männliche und weibliche Avatare zuhauf und verbrauchen im ludischen Rausch der Sinne offenbar extra viel Strom.
Der Mensch
"Der Mensch", lautet das berühmte Wort von Friedrich Schiller, "ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Ich weiß nicht, welche Spiele Schiller am Ende des 18. Jahrhunderts vor Augen hatte. Aber hätte Schiller jemals den "Free Sex Orgy Room" betreten, er wäre vielleicht vorsichtiger gewesen, alle Hoffnung auf die ästhetische Erziehung des Menschen ausgerechnet auf das Spielen zu setzen. So viele ganze Menschen wollte ich, ehrlich gesagt, nie sehen.
Code Red Lounge
In der Code Red Lounge, einer eher ruhigen Bar auf mehreren Stockwerken, ist nicht viel Betrieb. Zum VIP-Club, dessen Betreten Geld kostet, habe ich keinen Zutritt und blicke durch die Glaswand. DenisS spricht mich an. Sie ist athletisch, hat wunderschöne, fliederfarbene Flügel und ein winziges, schwarzes Kleid. Ihr Haar strahlt neonblau. Ich lobe ihr gelungenes Outfit, sie dankt. Unverblümt - die Kommunikationsschwellen in Second Life sind niedrig - bettle ich sie an. Nach kurzem Überlegen schenkt sie mir eine schwarze Hose. Ich danke ihr. "np - no problem", erscheint auf meinem Sprachfeld. Noch bevor ich antworten kann, teleportiert sie sich fort.
Engelsgleicher Vollbartträger
Natürlich kann man hinter der engelsgleichen DenisS einen vollbärtigen, leptosomen Mittvierziger mit Depressionen vermuten, der seine Identität in der virtuellen Zweitwelt diametral entgegengesetzt zu seiner Realexistenz aufbaut. Doch erfahrene Spieler wie Lev Ledit, Kreativdirektor von Avaloop, bezweifeln dies. "Am Anfang", weiß Ledit, "beginnt man mit dem Gegenteil seines Selbst, aber das ändert sich rasch." Das Lob und die soziale Anerkennung, die man erhält, prallen ab, sobald der Abstand zum realkörperlichen Ich zu groß ist. Mit der Zeit werden eher übersteigerte Ichfiguren, idealisierte Selbstbilder erzeugt, die dem eigenen Ich und seinem Körper im Laufe des Spiels immer ähnlicher werden.
"Sei, was du sein willst!"
Das karnevaleske Leitmotiv "Sei, was du sein willst!" gilt nur bedingt. Die Freiheit, die das Rollenspiel im Schutze der Anonymität verspricht, betrachtet Mathias Fuchs, Professor für Game Design an der Universität von Salford (Manchester), kritisch: "Die Möglichkeiten der Skripts", so Fuchs, der selbst seit drei Wochen Bewohner von Second Life ist, "sind sehr beschränkt, die Restriktionen sind relativ stark." Die scheinbar grenzenlose, kombinatorische Vielfalt bei der Gestaltung der eigenen Identität erweist sich nach Fuchs bei genauerem Hinsehen eher als ein "Malen-nach-Zahlen".
Erbärmliche Figuren
Tatsächlich sehen die meisten Figuren, die mir im synthetischen Amsterdam oder San Francisco über den Weg laufen, noch erbärmlicher aus als ich: Hauptsächlich schlurfen zusammengeschluderte Faschingskostüme, Elfen von der Stange, Retorten-Monroes und Scha-blonen-Punks an mir vorbei. Nur DenisS (nein, du bist kein soziopathischer Bierbauch aus Detroit) blieb eine Ausnahme.
Spieltheorie
In Second Life schwanken nicht nur die Identitäten, es zerfließt auch die von den Klassikern der Spieltheorie einst so säuberlich gezogene Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit. Zweckfreiheit sei Vorbedingung allen Spielens, propagierten noch Johan Huizinga und Roger Caillois, doch ganz so zweckfrei ist diese Spielwelt nicht. Zwischen virtueller und realer Welt herrscht in Second Life eine rege und enge osmotische Beziehung. Dafür sorgen bereits Marktwirtschaft und die Konvertibilität des Linden-Dollars, der zurzeit 0,0037593 US-Dollar entspricht. Im Shop von Adidas kann man seinen Avatar virtuell mit den neuesten Modellen beglücken, zugleich kann man dem realen Ich eben dieses Schuhmodell realiter zukommen lassen - natürlich gegen reales Geld. Bei Dell, die auf eigener Insel einen riesigen Komplex betreiben, kann man in einer Fabriks-halle seinen eigenen Computer konfigurieren, den man dann in dieser Form zugeschickt bekommt. Neben Mode scheint Sexspielzeug der häufigste Artikel, den man hier neben einschlägigen Dienstleistungen erhält. Bis die Grafikkarte verschmort oder die Kreditkarte gesperrt wird.
Wechselwelt
Doch lässt sich die Spielwelt von Second Life nicht auf brutalen Kommerz, langweiligen Trash und domestizierten Sex reduzieren. Es gibt auch anderes. Exklusiv für Second Life gestaltet etwa Adam Reuters, der avatarische Chefreporter der Nachrichtenredaktion von Reuters, höchst informative Interviews mit Teilnehmern des Wirtschaftsforums in Davos, die man vergeblich in anderen Medien sucht. Wie "CyberOne" der Havard Law School bieten rund 60 Universitäten und Schulen virtuelle Vorlesungen und Kurse an. Sie öffnen und ergänzen den Universitätsbetrieb und ergeben in Summe durchaus eine neue Qualität von Erwachsenenbildung. Viele sind kostenlos wie die Sprach- und Computerkurse der "Academy of Second Learning", die bei stets kalifornischem Wetter auf grüner Wiese stattfinden.
40.000 Quadratmeter
Im "Second Louvre" suche ich zwar vergeblich nach der Mona Lisa, doch ich verliere mich rasch auf den verschiedenen Ebenen mit den über 40.000 Quadratmetern, auf denen zum Teil witzige kinetische Objekte ausgestellt werden. Die Aussicht aus den Museumsfenstern ist grandios: Über einer Insel mit Wasserfall schweben zwei Montgolfieren. Megalomaner Kitsch natürlich, aber so einen Museumsbesuch hätte man sich als Kind vielleicht gewünscht.
Technisch gesehen ist die Pixelwelt von Linden Lab eine Meisterleistung der cleveren Algorithmen, der hochkomplexen Datenverwaltung und -reduktion. Ästhetisch ist sie, wie Margarete Jahrmann, Medienkünstlerin und Professorin an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich, zu Recht urteilt, wenig innovativ, ja "grauenhaft".
Keine neue Idee
Ganz so neu ist die Idee von Second Life nicht. Ende der Siebzigerjahre wurde das erste, noch ausschließlich textbasierte Computer-Rollenspiel an der Universität von Essex aus der Taufe gehoben, seitdem wuchs das Interesse an Fantasiewelten und partizipativen Erzählungen stetig. Wie im Zeitraffer scheinen die MUDs (Multiple User Dungeons) wie "Meridian 59" und "Ultima Online", "Everquest" und "World of Warcraft" die gesellschaftspolitische Entwicklung von der Simulation mittelalterlicher Gesellschaften bis zur Gegenwart nachzuvollziehen. Mit Second Life sind sie im Manchesterkapitalismus und in der Erlebnisgesellschaft angekommen. Aber eben auch in der Wissenswelt "Tlön" von Jorge Luis Borges und in Kafkas utopisch-demokratischem Naturtheater von Clayton, die jeden und jede als Darsteller willkommen heißt.
Wie jedes Spiel ist Second Life vor allem Echo und Lautsprecher, Zerr- und Wunschspiegel jener Gesellschaft, die es hervorbringt, eine wirre, polyfone Parallelwelt zwischen Sonnenstaat und Amüsiermeile, zwischen Gelehrtenrepublik und Massenmasturbation.
Kulturkritik
Die Videospielbranche erzielte im Vorjahr einen Umsatz von rund dreißig Milliarden Dollar (etwas mehr als die US-Filmindustrie), auf Online-Spiele entfielen dabei etwa vier Mil- liarden Dollar, Tendenz stark steigend. Auch wenn die Kulturkritik den digitalen Spielwelten nach wie vor eher mit spitzen Fingern begegnet, sind diese zu einem mächtigen Bestandteil der Kulturindustrie der Gegenwart geworden. Ob man sie nun als "Reich der Freiheit" (Marcuse) oder als das "Nachbild entfremdeter Arbeit" (Adorno) betrachtet, ihre Ge- staltung ist eine bedeutende kulturpolitische wie ästhetische Kampfzone der Zukunft. Welche Inhalte werden hier von wem in welche Formen gegossen, was treibt Millionen Intensivspieler weltweit dazu, täglich viele Stunden in der künstlichen Welt der Polygone zu verbringen?
Alte Lust des Homo Ludens
Vielleicht ist die Antwort bei Spielen wie Second Life einfach. Vielleicht findet hier die alte Lust des Homo ludens am Karneval jenseits von Intimität und Authentizität ihre aktuelle technologische Entsprechung, und man versucht, gemeinsam einen permanenten, selbst inszenierten Mittsommernachtstraum zu träumen. Wie jeder Karneval bildet Second Life eine "Zeitinsel" (Michail Bachtin), in der die offizielle Welt, jahres- bzw. tageszeitlich beschränkt, aus ihren Bahnen tritt und in der Standesunterschiede hinter den Masken verborgen bleiben. Das schöne Fest kippt freilich in den Albtraum, wenn es endlos währt. Zumindest macht es müde und nervös, wenn es zu lange dauert.
Wiese, Bäume und Wind
Ich teleportiere mich nach Brown, einem stillen Vorort mit Villen und einem englischen Park mit funktionstüchtigem Gartenschach. Ich setze mich auf eine Wiese und betrachte die Bäume und Häuserfassaden. Eine leichte Brise bringt die Blätter zum Rascheln. Ich bin allein, bis Brazil erscheint. "Willst du sprechen?" Ich antworte nicht. Er wartet schweigend eine geschlagene Minute, bis er geht. Nach fünf Minuten kehrt er aus anderer Richtung zurück. "Wohnst du hier?", fragt er und wiederholt die Frage auf Spanisch. "Ich habe kein Zuhause", antworte ich wahrheitsgemäß. Er lädt mich zum Tee ein zu sich, ich schweige.
Keine schlechte Gegend, denke ich. Hier gibt es Bauplatz, die Nachbarn sind zurückhaltend und freundlich. Am Parkrand drücke ich einen Info-Button. Eine Immobilienfirma informiert über ihre Bauprojekte und bietet noch freie Grundstücke inklusive architektonischer Beratung an. Ich könnte ein fertiges Corinthian House kaufen, gerade verbilligt, mit hübschen Mosaiken. Oder selbst eines entwerfen und mich dann mit Inneneinrichtung in einer der Boutiquen eindecken. Das vierteilige Schlafzimmerset kostet 550, ein Springbrunnen für den Garten 350 Linden Dollars. Das Plätschern könnte ich, wenn es mir auf die Nerven geht, abstellen und mit Brazil bei einem Tee eine gepflegte Partie Schach spielen.
1,4 Millionen echte Dollar
Laut Reuters werden in Second Life derzeit 1,4 Millionen (echte) Dollar pro Tag umgesetzt, wobei Herkunft und Versteuerung häufig im Dunklen bleiben. Die Immobilienmaklerin Anshe Chung, ein viel gehasster Promi des Spiels, brachte es durch Grundstücksankäufe im Vorjahr zur realen Dollar-Millionärin. Noch herrscht in Second Life ein unumschränkter anarchischer Kapitalismus, doch beginnen subversive Cyber-Punks und Betrüger, die idyllischen Vorstädte und das florierende Geschäft unsicher zu machen. Mit dem Programm CopyBot können Gegenstände kopiert, ja ganze altgediente Avatare gestohlen werden.
Polizeiliche Maßnahmen
Bei der Gamers-Development-Conference im März vergangenen Jahres in San José forderten besorgte Bürger von Second Life polizeiliche Maßnahmen gegen unethisches Verhalten und mehr Jugendschutz. Linden Lab weigerte sich einzugreifen und forderte die Gemeinschaft der Spieler zu mehr kommunalem Engagement auf. Doch wie bestraft man spielimmanent einen unsterblichen Avatardieb? Wie legt man lustvoll regredierenden Spaßguerillas das virtuelle Handwerk, die mit laut blökenden, sich selbst duplizierenden Schafen den öffent- lichen Raum verstellen? So seltsam es klingen mag: Es ist für viele eine ökonomisch nicht unwesentliche Frage, wie sich die selbst or- ganisierte Gemeinschaft der Internetwelt von einer urwüchsigen "Go-West-Gesellschaft" (M. Fuchs) zu einer Art Demokratie entwickeln könnte oder ob sie innerhalb der eigenen Spielwelt kollabiert.
Skeptisch
Lev Ledit, dessen Team von Avaloop mit "Papermint" den Prototyp eines eigenen Online-Rollenspiels fertig gestellt hat, ist skeptisch, was die Zukunft des Zweitlebens betrifft. Zu universal ist der Anspruch der Plattform, zu vielgestaltig sind die Interessen, und schlicht zu anstrengend ist die Bedienung, um in der launischen Spieleindustrie dauerhaft zu bestehen. Das aktuelle Wachstum könnte ein rasches Ende finden. Dann verbliebe eine virtuelle Geisterstadt, in der die Daten- und Geldströme langsam versiegen.