Paris - Der Fall des ranghohen Nazi-Kollaborateurs Maurice Papon beschäftigte Frankreichs Öffentlichkeit und Justiz mehr als zwei Jahrzehnte lang. Dem nun mit 96 Jahren gestorbenen Papon wurde Beihilfe bei der Verschleppung von mehr als 1500 Juden aus der Region Bordeaux in den Jahren von 1942 bis 1944 zur Last gelegt. Die Nachrichtenagentur AFP nennt Eckdaten der juristischen Auseinandersetzung, während der sich Papon stets als unschuldig darstellte:

Mai 1981: Die Wochenzeitung "Le Canard Enchaîné" veröffentlicht Dokumente zur DEPORTATION von Juden. Sie sind unterzeichnet von Papon als Generalsekretär der Präfektur von Bordeaux. Der langjährige Polizeichef von Paris ist zu diesem Zeitpunkt französischer Haushaltsminister.

Dezember 1981: In einer ersten KLAGE wird Papon Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt.

1992: Die Justiz leitet förmliche ERMITTLUNGEN ein, nachdem im Laufe eines Jahrzehnts mehr als ein Dutzend weitere Klagen eingereicht worden sind. Die Ermittlungen dauern bis 1995.

Oktober 1997: Der PROZESS vor dem Schwurgericht Bordeaux beginnt.

April 1998: Nach dem längsten Strafprozess der französischen Geschichte verkünden die Geschworenen ihr URTEIL: Wegen Mithilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhält Papon zehn Jahre Haft. Einen Tag später wird er in einem Zivilprozess zur Zahlung von rund 700.000 Euro Schadensersatz verurteilt.

Oktober 1999: Der Kassationshof als oberstes französisches Strafgericht lehnt Papons Revisionsantrag ohne Prüfung ab, weil Papon sich zur Verhandlung nicht wie vorgeschrieben in Haft begeben hat. Stattdessen setzt er sich ins Ausland ab. Am 21. Oktober wird Papon in der Schweiz gefasst, am 22. Oktober abgeschoben und in Frankreich in HAFT genommen.

März 2000: Papon scheitert mit dem ersten mehrerer GNADENGESUCHE bei Staatspräsident Jacques Chirac.

April 2002: Der Staatsrat als höchstes Verwaltungsgericht urteilt, dass der französische Staat für die Hälfte von Papons Entschädigungszahlungen an Auschwitz-Opfer geradestehen muss. Die Richter begründen dies mit der historischen Verantwortung des VICHY-Regimes.

Juli 2002: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt Frankreich wegen des Kassations-Verfahrens von 1999. Papon sei das RECHT AUF EINEN ANGEMESSENEN PROZESS verweigert worden, befinden die Europarichter.

September 2002: Nach knapp drei Jahren Haft wird der Nazi-Kollaborateur aus Gesundheitsgründen aus dem berüchtigten Pariser Santé-Gefängnis entlassen. Die Regierung geht gegen die HAFTVERSCHONUNG vergeblich in Revision.

Juni 2004: Der Kassationshof lehnt Papons letzte Rechtsmittel ab. Damit wird die zehnjährige Haftstrafe rechtskräftig, wobei Papon aus gesundheitlichen Gründen weiter Haftverschonung genießt. Der Fall des "Schreibtischtäters" Papon ist juristisch ABGESCHLOSSEN.

Februar 2007: Papon stirbt vier Tage nach einer letzten Herzoperation in einem Krankenhaus in der Nähe von Paris. (APA/AFP)